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Ask The Dragon

Die neue Nummer eins der Witwenweltrangliste

Lange Jahre gab es keine Veränderung in den Charts. „Die zehn schwärzesten Witwen der Welt“ hatten es sich auf ihren Plätzen gemütlich gemacht. Vorne führten die historischen Klassiker: Auf Platz eins lag unangefochten die Witwe Bolte (Wilhelm-Busch-Figur), gefolgt von der Witwe-Douglas (Mark-Twain-Figur), der Veuve Cliquot (Champagnermarke) und der Wed J. Van Nelle (Zware-Tabak-Erbin). Erst auf Platz fünf fand sich die erste lebende Witwe: Brigitte Seebacher-Brandt (Ex-Willy-Brandt), die mit aller Macht Yoko Ono (die tollste Witwe der Welt), Sonia Gandhi (Indiens „First Widow“), Chantal Grundig (Elektronik-Erbin), Elisabeth Johnson (Ex-Uwe-Gattin) und Brigitte Mayer-Müller (Heiner-Müller-Witwe) auf die harten Plätze verwies. Doch am 8. Dezember 2000 sollte ein gewaltiges Erdbeben durch die Witwen-Charts gehen. Pünktlich zum 20. Todestag ihres Ex-Mannes katapultierte sich Yoko Ono mit einem Schlag von Platz sechs an die Spitze. Die sympathische Tokioterin erklärte zum exakt fünfhunderttausendsten Mal: „Ich denke, es gibt immer noch Leute, die sich nicht damit abfinden können, dass ich Johns Frau war. Ich möchte diesen Leuten sagen: Es tut mir Leid, dass ich euch wehtat. Aber das ist geschehen. Das ist, was gewesen ist.“ Diese Sätze sind so abgrundtief versöhnlich, von solch rigider Humanität, dass Yoko Ono den Sonnenplatz allein verdient hat. Wieder einmal machte sie deutlich, dass sie sich ganz bestimmt nicht mehr über ihren toten Schatten definiert. Yoko Ono ist die einzig wahre, ewige Latrodectus lugubris. MICHAEL RINGEL

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