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Altbekannte Mäkeleien

betr.: „der homosexuelle mann ...“ von Elmar Kraushaar, taz vom 5. 12. 00

[...] Leider gibt es immer noch genug Ewiggestrige, die mit diesem Gesetz den Untergang des Abendlandes nahen sehen. Und denen gefällt das „Bild des homosexuellen Paares“ nicht im Mindesten. Die konnten sich in der Vergangenheit zwar hervorragend mit den vermeintlich subversiv-befreienden Aspekten schwuler Sexualität, also etwa Klappen und Darkrooms, arrangieren. (Schließlich bestätigen diese die althergebrachte Vorstellung, dass es Schwulen ausschließlich um die Triebbefriedigung geht.) Aber von Liebe und Vertrauen erfüllte lesbische und schwule Beziehungen, Lesben und Schwule gar, die für ihre Partner vor dem Staat einstehen wollen, sind ihnen ein Graus.

Meines Erachtens gehört immer noch mehr Mut dazu, als schwules oder lesbisches Paar Hand in Hand durch eine beliebige deutsche Kleinstadt zu spazieren (für ein Heteropärchen eine vollkommene Selbstverständlichkeit), als zum Aufsuchen eines einschlägigen Kneipenhinterzimmers benötigt wird. Für Kraushaar wäre aber wohl Ersteres als Einpassung in ein „Korsett bürgerlicher Anständigkeit“ und Letzteres als Ausdruck der „schwulen Befreiung“ zu werten.

Glücklicherweise gibt es unter Heteros wie Homos eine wachsende Mehrheit, die kapiert hat, dass schwule und lesbische Liebesbeziehungen bis auf die Gleichgeschlechtlichkeit der Partner nichts prinzipiell anderes sind als heterosexuelle. Denen nun pauschal zu unterstellen, dass ihnen „die soziale und sonstige Lage der Homosexuellen“ „ganz locker am Arsch“ vorbeiginge, halte ich für einen schlimmen Fall von Heterophobie bzw. Homosexismus. Das neue Gesetz ist in der Tat ein wichtiger Meilenstein auf dem Weg zu Gleichberechtigung und Akzeptanz, denn erstmals werden schwule und lesbische Lebensgemeinschaften vom Gesetzgeber überhaupt wahrgenommen. Ist das erst mal geschehen, werden die noch bestehenden Ungleichheiten auf Dauer nicht mehr zu rechtfertigen sein. [...] HAUKE DRESSEL, Köln

Niedlich, dass die taz trotz Überlebenskampf immer noch Elmar Kraushaar ihre Wahrheit-Seite für dessen satirische Stilübungen zur Verfügung stellt. Ein flottes Das-gehe-den-Heten-am Arsch-vorbei macht aber noch keine solche. Und so lesen wir wieder die altbekannten Mäkeleien am real existierenden Parlamentarismus.

Natürlich bedeutet das Lebenspartnerschaftsgesetz nicht das Ende aller Diskriminierung. Das behauptete ja wohl auch niemand ernsthaft. Allein, dass viele gleichgeschlechtliche Paare den Weg zur Eintragung scheuen werden, weil sie berechtigte Furcht vor beruflichen Nachteilen durch diese Form des Selbstouting haben, sagt viel über den wahren Zustand dieser Gesellschaft.

Über den wahren Zustand von Kraushaars Selbstbewusstsein kündet die Furcht, von der heterosexuellen Mehrheit irgendwann doch noch als „normal“ betrachtet zu werden. Dann gingen viele Homos in der Tat ihrer einzigen Besonderheit, des gepflegten Nimbus, „anders“ zu sein, verlustig. „Lasst mir mein Ghetto“, schreit da die alte Bewegungsschwester. So unbefriedigend das neue Gesetz mit Blick auf das Wünschenswerte ist, eine Gruppe von Menschen hat ab Juni ein Riesenproblem weniger: die binationalen Paare. Allein dafür hat sich der Kampf ums Lebenspartnerschaftsgesetz gelohnt [...] ANDRÉ ZWIERS, Dortmund

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