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Minenfeld Bioethik

Die CDU widmet sich dem Reizthema Gentechnik. Und entdeckt dabei mehr Gemeinsamkeiten mit den Bündnisgrünen, als ihr lieb sein kann

von MATTHIAS URBACH

Immer wenn sich der Mensch bedroht fühlt, besinnt er sich auf das Altbewährte. Oder biologisch formuliert: auf seine Instinkte. Auf dem gestrigen Bioethik-Kongress der CDU hielten neben Parteichefin Angela Merkel und ihrem Stellvertreter, dem ehemaligen Forschungsminister Jürgen Rüttgers, zwei Theologen die Hauptvorträge – beide bemüht, aus „Gottes Schöpfung“ und dem „Gebot der Nächstenliebe“ einen Weg anzubieten, durch das ethische Minenfeld der modernen Gentechnik.

Wenn sich die Volkspartei dermaßen auf das C in ihrem Namen besinnt, dann muss sie sich wirklich bedroht fühlen. Und zwar in ihrer „Grundorientierung“. Rüttgers Rede war gespickt mit düsteren Formulierungen. Da warnte der CDUler etwa vor der „Erosion der ethischen und rechtlichen Grundorientierung, vor der immer mehr Menschen Angst haben“. Und diagnostizierte deren „schrittweise Untergrabung“. Unsere „Grundwerte“, so sein Credo, dürften keiner „postmodernen Beliebigkeit preisgegeben werden“.

Der Zugriff der Naturwissenschaft auf die Grundbausteine unserer Biologie, auf unser Genom, verleitet Rüttgers, der in seiner Amtszeit eher als ein wissenschaftsbegeisterter Minister auftrat, zu ungewöhnlich harschen Forderungen. „Grenzpfähle“ will er einschlagen, „bis hierhin und nicht weiter“ – und der Beobachter muss unwillkürlich an den frühen Grünen denken. Gleich siebenmal fordert Rüttgers eine Grenze: Wo Gendiagnostik „die Selektion von Menschen beabsichtigt“, wo „die Erzeugung von Embryonen zu Forschungszwecken beabsichtigt wird“, wo das „Klonen des Menschen beabsichtigt wird“, wo in die menschliche Keimbahn eingegriffen wird, wo „eugenische Ziele verfolgt werden“, „genetische Daten zur Diskriminierung führen“ und wo „Patente zu Nutzungsrechten am menschlichen Körper führen“.

Noch sind dies Positionen von Jürgen Rüttgers, nicht die seiner Partei. Merkel hielt ihre Rede deutlich nachdenklicher. Man könnte auch sagen, die Naturwissenschaftlerin an der CDU-Spitze ließ sich ein Hintertürchen offen. Noch, das betonen beide, befinde sich die Partei im Diskussionsprozess. Bis zum Frühjahr will sie eine Position der Partei entwickeln. Und da muss Merkel behutsam sein. Denn in Fragen der Gentechnik in Bezug auf den Menschen muss die Union ebenso streng auf ihre Parteibasis achten wie sonst nur die Grünen.

Jahrelang konnte Rüttgers als Forschungsminister die Biotechnik in Deutschland fördern, die inzwischen Nummer eins in Europa geworden ist. Ein Ergebnis, das Rüttgers zu Recht als „seinen Erfolg“ feiert. Doch er weiß auch, dass es der Biotechnik ebenso wie der Atomkraft ergehen kann. Ohne Akzeptanz erfolgt „der Ausstieg fast zwangsläufig“, so der CDUler. Anders als in der Regierung, kann die Parteiführung in der Opposition nicht mehr auf Regierungszwänge verweisen. Auch kann sie das Thema nicht niedrighalten, wenn Grüne und FDP das Thema mit Macht auf die Tagesordnung schieben.

Also muss die CDU ebenfalls auf das Thema setzen – doch es ist tückisch. Etwa die Frage der Präimplantations-Diagnostik (PID), bei der eine befruchtete Eizelle vor dem Einpflanzen in die Mutter auf mögliche Erbschäden untersucht wird. Eine Bevorzugung eines nicht erblich vorbelasteten Embryos vor einem, der möglicherweise später zu einem behinderten Kind wird, dürfte in vielen Fällen die Folge sein. Dies will Rüttgers auf keinen Fall. Eine solche Auswahl muss viele CDU-Mitglieder aufwühlen.

Angela Merkel ist dagegen in Fragen der PID noch nicht entschieden. Und verweist darauf, dass auch Embryos im Mutterleib noch spät in der Schwangerschaft abgetrieben werden dürfen, wenn etwa das Downsyndrom erkannt ist. Ein Zustand, der ihr allerdings ebenfalls nicht behage. Nur müsse man stets das Dilemma sehen, in das die neuen technischen Möglichkeiten führten. Vielleicht, so Merkel, müsse der Gesetzgeber ja nicht alles regeln, sondern könne Wahlmöglichkeiten offen lassen.

Die Union selbst hat keine Wahl: Sie muss durch das Thema durch. Und entdeckt überraschend viel Übereinstimmung mit den Grünen. Was die Sache für die Union nicht einfacher macht. Schon gar nicht, wenn ihr potenzieller Koalitionspartner FDP am Montag ein Papier verabschiedet, das von keinen großen Skrupeln getrübt ist. Weder von Problemen mit der PID noch mit dem Import von Stammzellen, die durch den „Verbrauch“ von Embryonen hergestellt wurden.

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