: Tue Gutes und schweige darüber
„Ein Platz an der Sonne“ existiert seit 52 Jahren. Die TV-Lotterie ist damit eigentlich älter als das Fernsehen selbst. Für die ARD Anlass genug, ihr gemeinnütziges Engagement zum eigenen Jubiläum dann doch ein wenig stiefmütterlich zu behandeln
von HEIKO DILK
Am 20. September 1948, während der Berlin-Blockade, fliegt ein Rosinenbomber aus der geteilten Stadt nach Westdeutschland. An Bord sind keine Rosinen, sondern Kinder. Sie sind auf dem Weg zu einem Platz an der Sonne in Bayern oder an der Nordsee. Bezahlt wird die Reise von der Lotterie des Deutschen Städtetages, organisiert vom Vater der Fernsehlotterie Jürgen Richert. Zwei Jahre später wird die ARD gegründet. Doch zum Jubliäum sind von den 240 Seiten, die „50 Jahre ARD“ feiern, gerade einmal vier Zeilen dem „Platz an der Sonne“, der seit 1989 „Die Goldene Eins“ heißt, gewidmet.
Dabei hatte es so viel versprechend angefangen. Während es anfangs noch so brauchbare Sachen wie einen Maßanzug, 100 Zentner Kohlen oder eine Jahresration (echten!) Bohnenkaffee zu gewinnen gab, startete die Lotterie 1956 mit Unterstützung der ARD und dem Slogan „Mit 5 Mark sind Sie dabei“ – übrigens kreiert von Richerts Frau – so richtig durch: Gewinnen konnte man eine Reise auf die Kanaren (mit einem Frachtschiff natürlich) oder eine fantastische Dänemark-Kreuzfahrt (mit der Bahn). Heute sind die Preise aber auch für Quizshow-Junkies ganz annehmbar: In der Hauptziehung werden 2 Millionen Euro verlost.
Trotzdem genießt die „Goldene Eins“ beim Publikum ein weitaus geringeres Ansehen, als die Rate-Shows der Privaten. Das mag am Konzept liegen. Schließlich ist es weitaus aufregender, einem gierigen Zocker dabei zuzusehen, wie er alles riskiert und alles gewinnt – oder, besser noch, alles verliert –, als Ingo Dubinski (Moderator der „Goldenen Eins“) beim Verlesen der Gewinnzahlen der Woche zu beobachten und sich zwischendurch mit Schlagermusik foltern zu lassen.
Vielleicht liegt es aber auch daran, dass die ARD ihre Fernsehlotterie nicht mehr ähnlich prominent ins Programm einbindet wie die Privaten ihre Quiz-Shows oder das ZDF die „Aktion Mensch“. Dabei ist die Idee einer gemeinnützigen Lotterie doch so ehrenwert: Für den Zuschauer und Mitrater vor der Glotze gibt es weder bei Jauch noch bei Pilawa was zu gewinnen. Und die Frage „Wer wird Millionär?“ ist seit kurzem beantwortet: Prof. Dr. Eckhard Freise.
Bei der Fernsehlotterie hingegen profitieren nicht nur die Mitspieler, sondern zahlreiche gemeinnützige Einrichtungen. So unterstützt die Fernsehlotterie über ihre „Stiftung Deutsches Hilfswerk“ zum Beispiel das „Hamburg Leuchtfeuer Hospiz“ der Aids-Hilfe, Jugendhilfevereine, Altenwohnheime und Wohlfahrtsverbände.
Seit Beginn der Lotterie sind so 1,8 Milliarden Mark zusammengekommen, im vergangenen Jahr alleine 134,5 Millionen. Damit könnte man doch so richtig schön angeben. Doch die ARD schweigt.
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