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Die Siedler von Pöseldorf

Homo Ludens Nikolaus W. Schües: Wer verkehrsberuhigt, hat verloren. Wer die Elbe ausbaggert und Auto fährt, ist ein Sieger  ■ Von Peter Ahrens

Die Handelskammer spielend verstehen – Traum jeder Hamburger JournalistIn, bisher nie gelungen. Jetzt ist die Chance da. Rechtzeitig zu Weihnachten ist es da: „Chamber – das Spiel um den richtigen Kurs“, das Gesellschaftsspiel herausgegeben von der Handelskammer, um zu erfahren, was die hanseatische Welt im Innersten zusammenhält. Oder um es mit der Handelskammer zu formulieren: „Vollziehen Sie mit, wie politische Entscheidungen des abgelaufenen Jahres den Kurs der Hamburger Aktie beeinflusst haben. Fiebern Sie mit bei den Projekten, die Hamburg künftig nach vorne bringen. Und leiden Sie mit an den Widrigkeiten, die den Elan der Hamburger stoppen.“ Tun wir das, lasst uns spielen.

Es ist alles da, was ein Spiel braucht: Spielsteine – mit den Köpfen von den wirklich wichtigen Leuten: Präses der Handelskammer, Medienunternehmer – , Würfel, Spielbrett, Ereigniskarten, Wunschkarten, Hinderniskarten, Zufallskarten. Die Karten entscheiden über Wohl und Wehe der SpielerInnen und natürlich über Wohl und Wehe der Stadt – so wie sich Kammer-Präsident Nikolaus W. Schües die Welt wünscht: Eine Welt voller glücklicher AutofahrerInnen und Wirtschaftskapitäne. Mobilität, Handel, Wirtschaft, Kultur und Lebensqualität – wer dort vorn liegt, hat gewonnen.

Ziehe eine Ereigniskarte. Lies laut vor: „Der Senat stimmt Planungen zur Fahrrinnenanpassung der Elbe zu. Der Hafen kann von den größten Containerschiffen tideunabhängig erreicht werden.“ Eine sehr gute Karte, das gibt Punkte: Mobilität plus 15, Handel plus 15, Wirtschaft plus 20. Die Siegchancen steigen. Besonders wenn MitspielerInnen, pardon KonkurrentInnen, dann auch noch das Pech haben, solche Karten zu ziehen: „Der Grindelhof wird verkehrsberuhigt. Insbesondere der Einzelhandel muss erhebliche Umsatzeinbußen hinnehmen, Arbeitsplätze gehen verloren, Betriebe geben auf oder wandern ab.“ Har, har, fett Minuspunkte: Mobilität -25, Handel -30, Wirtschaft -20. Bei Lebensqualität gibt es zum Ausgleich keine Pluspunkte dafür.

Weiter: So ein Glück, der nächste Volltreffer. „Das Airbus-Konsortium beschließt den Bau des Großraumflugzeuges A3XX in Toulouse und Hamburg. Damit entstehen 4000 hochwertige Arbeitsplätze.“ Ist eben nur ein Spiel. Egal. Mobilität +10, Handel +15, bei Wirtschaft gibt es komischerweise keine Pluspunkte, dafür aber bei Kultur +30. Hat ja eher mit Literatur als mit Ökonomie zu tun, das Dasa-Ding: Erica Jong, Angst vorm Fliegen.

Mit den MitbewerberInnen am Spieltisch geht es weiter abwärts. „Die Benzinpreise steigen aufgrund der Ökosteuer drastisch an.“ Na, so geht es natürlich nicht weiter mit den Projekten, die Hamburg künftig nach vorne bringen. Und wer dann noch die Ereigniskarte zum Verkehrsentwicklungsplan – „der gegen den Indivdualverkehr gerichtet ist“ Mobilität 25 Minuspunkte – zieht, ist abgeschlagen.

Jetzt aber: Nur noch ein einziger Zug, dann ist der Sieg gewiss. Jedoch dann, ganz plötzlich auf der Zielgeraden: Die absolute Arschkarte, der Super-Gau, alles vertan, verloren, vorbei: „Das Schanzenviertel wird zur autonomen Republik. Der Regierungssitz ist die Rote Flora. Die Grenzen bleiben vorläufig offen.“ So viele Minuspunkte kann man in einem Spiel nicht mehr aufholen.

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