Filmstarts à la carte
: Stepptanz mit dem Admiral

Erheblich früher als wir Deutsche lernten die Italiener die Segnungen des kommerziellen Fernsehens kennen. Daher verwundert es nicht, dass Federico Fellini die Quasselbude bereits 1985 mit einer Satire bedachte. „Ginger & Fred“ erzählt von einem italienischen Tanzpaar, das in den vierziger Jahren Ginger Rogers und Fred Astaire imitierte, und nun nach vielen Jahren noch einmal einen Auftritt in der Weihnachtsshow eines Privatsenders bekommen soll. Doch die Sendung „Alles für Euch“ entpuppt sich eher als Freakshow. Neben Ginger & Fred alias Amelia und Pippo treten auf: ein seniler Admiral, mehrere Doppelgänger, die niemandem ähnlich sehen, ein Transvestit, eine Kuh mit 18 Zitzen, der Hersteller des eßbaren Slips sowie ein schier endloses Panoptikum weiterer bizarrer Typen. Ein gnadenloses Spektakel, in dem es das angejahrte Tanzpaar nicht leicht hat, seine Würde zu bewahren. Was Fellini von solcherlei Wahnsinn hält, zeigt er uns bereits bei Amelias Ankunft am Bahnhof: Da stolpert die schicke kleine Dame mit der Federboa mitten in eine Welt voller Fernsehen, Reklame und Müll. Natürlich ist „Ginger & Fred“ auch eine Hommage an zwei Darsteller, die Fellini durch seine Karriere hindurch begleiteten: Marcello Mastroianni, das ewige Alter ego des Regisseurs, der hier schon rein äußerlich - sehr uneitel - Fellini ähnelt und seinen Pippo als eine Mischung aus heruntergekommenem Großkotz, brillantem Fabulierkünstler und resigniertem Rebellen spielt. Und natürlich Giulietta Masina, die als Amelia noch immer so staunend und traumwandlerisch durch die irrealen Kulissen ihres Gatten läuft wie einst in „La strada“ und „Le notti di Cabiria“.

„Ginger & Fred“ 31.12.-3.1. im Lichtblick-Kino; Fellini-Retrospektive noch bis Mitte Januar

Deutsche Stummfilme wie „Metropolis“ und „Der Golem“ standen Pate, als der britische Regisseur James Whale 1931 in Hollywood seine klassische Verfilmung von Mary Shelleys „Frankenstein“ in Angriff nahm. Fortan kam kaum ein Film mit künstlichen Menschen mehr ohne Laboratoriums-Szenen mit blubbernden Flüssigkeiten und zuckenden Blitzen aus. Zwar fiel der philosophische Hintergrund der Geschichte um den „modernen Prometheus“ kommerziellen Erwägungen zum Opfer, doch zum Glück hatte Whale mit Boris Karloff einen Darsteller, der den Film nicht zum reinen Horrorspektakel verkommen ließ: Hinter Karloffs legendärer Maske konnte man stets die menschlich-sensible Seite des Monsters erblicken.

„Frankenstein“ 1.1. im Arsenal

Vom Erfolg des Konkurrenten Universal aufgeschreckt, verlangte MGM-Produktionsleiter Irving Thalberg einen Horrorfilm, der „Frankenstein“ noch übertreffen sollte. Deshalb engagierte man Tod Browning, der kurz zuvor als Regisseur von „Dracula“ einen großen Erfolg gehabt hatte. Doch das Werk, das Browning vorlegte, betrachteten die MGM-Chefs schließlich mit derartigem Horror, dass der Film für Jahrzehnte im Archiv verschwand. Der Regisseur, der selbst einige Jahre mit Vaudeville- und Zirkusshows herumgetingelt war, hatte seine Geschichte im Artistenmilieu angesiedelt und eine stattliche Anzahl von Menschen versammelt, die ihr Leben als fragwürdige Manegenattraktionen fristeten: von Pinheads und Siamesischen Zwillingen bis zur Frau mit Bart und dem Mann ohne Arme und Beine. Doch Browning kehrt in „Freaks“ die herkömmliche Wahrnehmung seiner außergewöhnlichen Hauptdarsteller einfach um: Während sich die „Freaks“ als ganz normale Leute erweisen, sind in der Geschichte von der Trapezartistin, die aus purer Geldgier einen Liliputaner heiratet und seine Vergiftung plant, die Schönen und Starken die wirklichen Monster ohne menschliche Gefühlsregungen.

„Freaks“ (OF) 3.1. im Arsenal

Lars Penning