: Aggressives Publikum
betr.: Kohl in Dresden
Der Kommentar der Dresdner Neuesten Nachrichten bemerkt, „fast schon unheimlich“ sei die Dresdner Kohl-Euphorie. Das „fast“ darf man getrost streichen.
Die Dresdner Jusos entrollten zwei Transparente mit den Aufschriften „Helmut, wir lieben Dich. Ehrenwort! Deine Jusos“ und „Helmut, wir finden Kurt auch doof. Deine Jusos.“ Wir haben erwartet, dass wir es in der Menge der Kohl-Verehrer schwer haben würden und verzichteten deshalb auf provokative Äußerungen, Buhrufe, Trillerpfeifen oder ähnliches. Zwei liebe ironische Sprüche, so dachten wir, würden von allen toleriert.
Was wir nicht erwartet hatten, war die Aggressivität des Publikums. Von Pöbeleien wie „Geht doch nach Moskau“, „Vaterlandsverräter“ und „Scheißkommunistenpack“ bis zu ernsten Handgreiflichkeiten reichte das Spektrum. Hinweise darauf, dass es 1989 gerade auch um Demokratie und freie Meinungsäußerung ging, wurden mit Tritten quittiert, unsere Transparente zerrissen.
Es ist erschreckend zu sehen, wie tief Intoleranz und Demokratiefeindlichkeit in „ganz normalen“ Bürgerinnen und Bürgern verankert sind. Umso erfreulicher waren die Reaktionen anderer „normaler“ Bürger, die uns ermutigten: „Lasst euch eure Meinung nicht nehmen. Ihr habt ein Recht darauf.“ [...]
SABINE FRIEDEL, Vorsitzende der Jusos Dresden-Elbe-Röder
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