: Mehr Kohle für Knast-Arbeit
Strafgefangene bekommen jetzt 2,50 Mark statt 1,40 Mark pro Stunde für ihre Pflichtarbeit. Die Grünen halten die Lohnhöhe für nicht verfassungskonform und befürchten eine Welle von Prozessen
von RICHARD ROTHER
Die Grünen sehen die Gefahr verfassungswidriger Verhältnisse in den Gefängnissen der Hauptstadt. Die Weigerung der Bundesländer, auch Berlins, die Arbeit von Gefangenen angemessen zu vergüten, werde dem einschlägigen Urteil des Bundesverfassungsgericht nicht gerecht, sagte gestern der Grünen-Abgeordnete Bernhard Weinschütz. Zahlreiche Gerichtsverfahren seien damit vorprogrammiert.
Der Stundenlohn für die Arbeit in den Vollzugsanstalten, zu der die Strafgefangenen verpflichtet sind, betrug bisher gerade mal 1,40 Mark. Das Verfassungsgericht hatte dies bereits vor zwei Jahren für verfassungswidrig erklärt und eine Neuregelung der Gefangenenentlohnung zum 1. Januar 2001 gefordert. Eine Pflichtarbeit könne nur zur verfassungsrechtlich gebotenen Resozialisierung beitragen, wenn dem Gefangenen durch die Höhe des ihm zukommenden Entgeltes bewusst gemacht werden kann, „dass Erwerbsarbeit zur Herstellung der Lebensgrundlage sinnvoll ist“, so die Karlsruher Verfassungsrichter.
Die Bundesregierung hatte daraufhin eine Lohnerhöhung auf 4,29 Mark vorgeschlagen. „Das ist das absolute Minimum zur Erreichung verfassungsmäßiger Zustände“, so Weinschütz. Die Bundesländer, die die Justizvollzugskosten allein zu tragen haben lehnten dies jedoch im Bundesrat ab. Seit dem 1. Januar gibt es nun 2,50 Mark pro Stunde Knastarbeit. Weinschütz: „Viel zu wenig.“ Dem Land entstehen durch die beschlossene Lohnerhöhung Mehrkosten in Höhe von mehreren Millionen Mark jährlich.
Dass es auch anders geht, zeigt die Situation in anderen Bundesländern. In Hamburg gibt es beispielsweise einen Modellversuch, bei dem arbeitenden Gefangenen 80 Prozent des Tariflohnes gezahlt werden. „Die stellen richtig was her“, so der Grünen-Politiker Weinschütz. Bei einer anderen Arbeitsorganisation wäre dies auch in Berlin möglich. Aber die Anstalten würden sich nicht um alternative Konzepte bemühen. Stattdessen werde immer wieder darauf verwiesen, dass die Arbeit der Gefangenen – zumeist einfachste Tätigkeiten wie Kugelschreiber zusammenstecken – mehr koste, als sie einbringe.
In den Knästen gibt es ohnehin zu wenig „Arbeitsplätze“. Rund ein Drittel der Gefangenen bleibt ohne Job und damit auf ein Taschengeld in Höhe von 60 Mark im Monat angewiesen. Ein Großteil der Gefangenen empfinde die Pflichtarbeit, die jetzt etwa 400 Mark im Monat einbringt, ohnehin nicht als Zwang, so Weinschütz. „Die sind froh, wenn sie aus der Zelle raus und sich mit anderen unterhalten können.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen