piwik no script img

„Mache ich dir gute Preis“

Mario, Mehmet, Ahmed, Gerhard Schröder und die Wirren der Autorepublik

Mario möchte meinen Golf Turbodiesel kaufen. Deshalb steckt er unter die Scheibenwischer meines Wagens zehn handgeschnittene Zettel, die erläutern: „Import – Export: Guten Tag!“ Es ist elf Uhr morgens. „Ich habe Interesse an diesem Auto. Falls Sie ihn“ – ihn? – „verkaufen möchten, rufen Sie mich bitte an.“

Ahmed möchte meinen Wagen dito kaufen. Ich habe mein Auto das letzte Mal vor fünf Jahren durch eine Waschanlage geschleust. Es sieht aus wie ein sehr später Beuys, wie ein verbeulter Beuys. Aber es fährt. Das fördert die Begehrlichkeit, es in seinen Besitz bringen zu wollen. Polnische Märkte locken, murmelt mein Mechanikerkumpel.

Mehmet, ein Freund Ahmeds, hält mich deswegen, als ich morgens um halb zehn aus der Parkbucht tuckere, in meinem Golf Turbodiesel an. Er wünscht, meinen Golf zu erwerben. „Mache ich dir gute Preis“, gurrt er, nachdem ich das Fenster auf der Beifahrerseite heruntergekurbelt hatte. Bin ich ein Ausländerfeind? Ich erkläre Mehmet – „Ich heiße Mehmet!“ –, ich sei sehr zufrieden mit diesem meinem Golf Turbodiesel, und er stehe nicht zum Verkauf. Ahmed, der einen Fuß in Gips trägt, geht vor meinem Golf in Position und lauert. Der Motor tackert ungeduldig. Mehmet erneuert sein Ansinnen: „Ich mache gute Preis.“ – „Danke, nein, ich möchte nicht verkaufen.“ Mehmet lehnt sich noch etwas weiter in den Wagen hinein und packt meinen Arm. „Ich kaufe diese Auto.“ – „Guter Mann“, erwidere ich vielleicht ein bisschen jovial, „ich kann das verstehen, denn das ist ein gutes Auto, es leistet mir meist beste Dienste, und ich möchte es behalten und jetzt bitte fahren.“

Die Minuten verstreichen. Es können auch Viertelstunden sein. Die Leier neben meinem rechten Ohr nimmt an Lautstärke zu. Nicht an Gehalt. „Hör zu, Freund, ich gebe dir gutes Geld. Verkauf mir! Ich brauche Auto.“ Ich schweige, stiere durch die Windschutzscheibe und überlege, was zu tun sei. Ein, zwei Meter vor dem Wagen wartet Ahmed, gestützt auf eine Krücke. Mehmet zwängt sich nun bis zum Gürtel durchs Fenster und fängt abermals an: „Also, sehr gute Preis, du willst verkaufen Auto?! Ich gebe dir gute Geld. Sofort. Kein Problem. Du nimmst Geld, und ich nehme Auto. Für gute Preis.“ – „Nein, bitte“, flehe ich, „ich möchte mein Auto nicht verkaufen und muss jetzt los.“ Mehmet greift meine Hand. „Pass auf! Du kriegst Geld sofort, ich mache gute Preis, du ...“

Nicht dass mir der Geduldskeilriemen riss. Ich befreie mich, schiebe Mehmet retour und setze langsam einen halben Meter zurück. Plötzlich schnellt Ahmeds Krücke in die Höhe, und er beginnt zu schreien gleich einem Todgeweihten. Ich stoppe. Mehmet reagiert blitzschnell, stopft den Kopf erneut herein in die fälschlich so genannte „Fahrgastzelle“ und speit: „Du hast meine Freund überfahren! Du hast Fuß gebrochen, ich hau dich ...“ Ich fliehe mit Vollgas.

Mario, Mehmet und Ahmed sind nicht die Einzigen, die begriffen haben, was in Schröders mobiler Berliner Republik, unterm Diktat der Autokanzlerschaft, zählt. Der Fetisch Pkw bewegt die Herzen derer, die fortkommen wollen. Kein noch so schäbiges Vehikel ist mehr gefeit vor dem gierigen Zugriff der majoritären Narren.

Schön ist das nicht. Schöner war es da schon, meinem Mechaniker bei einer Kolbenprüfung zu assistieren, meditativ eine halbe Stunde im leer laufenden Wagen zu hocken, auf die Armaturen zu starren und gegebenenfalls Flüssigkeitspegelstände hinauszubrüllen. Da war ich ein akzeptierter, geschätzter, nützlicher Pkw-Partner.

Wie predigt das Editorial des an hiesigen Autobahnraststätten ausliegenden Gratismagazins ppm – Pole Position Multimedia, zuständig für die Ventilation der Themen „Hot Wheels“ und „Lifestyle Tools“? „Die Situation in Deutschland ist angespannt, die explodierenden Benzinpreise erhitzen die Gemüter ... Doch lassen wir uns die Stimmung nicht vermiesen“, nicht beim Einparken, nicht beim Ausparken, nicht beim Einkaufen und erst recht nicht beim Verkaufen.

Indes: Die nächste mentale Attacke Ahmeds oder Gerhard Schröders wird verfangen. Dann gebe ich nach, gebe auf, verkaufe mein Auto – und bin ein freier Mensch. JÜRGEN ROTH

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen