: Aufstand der „Ewig-Zweiten“
In Polen spalten sich zwei Mitte-rechts-Parteien. Zwei der Abtrünnigen wollen jetzt mit Unterstützung des ehemaligen Außenministers Olechowski eine neue Partei gründen
WARSCHAU taz ■ „Lieber Donald“, sagte Tadeusz Mazowiecki in väterlichem Ton, „wenn wir uns schon trennen müssen, dann schnell und mit Würde.“ Donald Tusk, der den rechten Flügel der liberalen Freiheitsunion (UW) vertritt und die Partei mitsamt seinen Anhängern verlassen will, nickte nur stumm. Dann antwortete er, wie ein Sohn, der den Vater zwar schätzt, nun aber doch seinen eigenen Weg gehen will: „Genau das will ich auch.“
Parteien lassen sich nicht wie Familienclans führen. Das müssen nun auch die „Väter“ des demokratischen Polens einsehen, die sich nach 1989 in der Intellektuellenpartei „Demokratische Union“ (später Freiheitsunion) zusammengeschlossen hatten. Mitte Dezember waren die Interessengegensätze in der Partei so deutlich wie nie zuvor zu Tage getreten. Leszek Balcerowicz, der „Vater der Wirtschaftsreform Polens“ gab den Vorsitz in der Partei auf, um Chef der Nationalbank werden zu können. Um die Nachfolge bewarben sich der frühere Außenminister Polens, Bronisław Geremek (67), und der stellvertretende Senatspräsident Donald Tusk (39). Die Kandidaten standen nicht nur für verschiedene Generationen, sondern auch für verschiedene politische Richtungen: Geremek für die sozialliberale, Donald Tusk für die wirtschaftsliberale. Bei den Vorstandswahlen gewann Tusk zwar 43 Prozent der Stimmen, wurde dann aber von der siegreichen Geremek-Mannschaft machtpolitisch kaltgestellt. Tusk fühlte sich und seinen Flügel von den „Vätern“ hintergangen und suchte nach einer neuen politischen Heimat.
Die fand er im linken Flügel der regierenden konservativen „Wahlaktion Solidarność“ (AWS). Das Parteienbündnis ist in einer ähnlichen Situation wie die UW, wenn es um die „Väterfrage“ geht. Die vier Parteien, die sich unter dem Dach der AWS zusammengeschlossen haben, können Marian Krzaklewski, den „Vater des Bündnisses“ und Nachfolger Wałęsas auf dem Chefsessel der Gewerkschaft Solidarność, einfach nicht abschütteln. Krzaklewski hat seine Ämter als Vorsitzender der Partei, der Fraktion und der Solidarność so verknüpft, dass er nicht abgewählt werden kann. Da er aber auch nicht zurücktreten will, zerfällt die Partei immer mehr. Maciej Płażyński, Parlamentspräsident und von Krzaklewski zum ewigen „zweiten Mann“ in der AWS verdammt, hat seiner Partei ebenfalls den Rücken gekehrt.
Den beiden Abtrünnigen aus der UW und der AWS hat sich der Ex-Außenminister Andrzej Olechowski angeschlossen, der als unabhängiger Kandidat bei den Präsidentschaftswahlen auf den respektablen zweiten Platz kam.
Tatsächlich eröffnete die Revolte der „Ewig-Zweiten“ in UW und AWS die Möglichkeit, eine neue Partei zu gründen, die nicht gleich wieder in der Bedeutungslosigkeit versinken würde. Innerhalb der nächsten zwei Wochen will das Triumvirat nun über Struktur und Programm der neuen Mitte-rechts-Partei beraten. Sollte die Partei tatsächlich bei den nächsten Wahlen im Herbst starten, könnte die UW in der Wählergunst unter die Fünfprozenthürde sinken und wäre dann nicht mehr im Parlament vertreten. Noch wiegelt Geremek, der neue UW-Parteivorsitzende, ab: „Wenn sich drei Politiker zusammentun, ist das noch kein politisches Ereignis“. Doch auch ihm dürfte die Gefahr für die Freiheitsunion klar vor Augen stehen. GABRIELE LESSER
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