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3.000 Gratis-Särge für die Armen

Nach dem schweren Erdbeben rechnet El Salvadors Regierung mit mehreren tausend Toten, die noch unter dem Geröll verschüttet sind. Überlebende geben krummen Geschäften der Regierungspartei Schuld an verheerendem Erdrutsch

aus San Salvador TONI KEPPELER

Das Erdbeben im mittelamerikanischen El Salvador war aller Voraussicht nach deutlich verheerender als zunächst angenommen. Nach Angaben des nationalen Notstandskomitees wurden bis Sonntagnacht 403 Tote geborgen. Die Regierung geht jedoch inzwischen von mehreren tausend Toten aus. Präsident Francisco Flores bat Kolumbien um die Lieferung von 3.000 Särgen für Mittellose. Dies deutet darauf hin, dass die Regierung mehr weiß oder ahnt, als sie bekannt gibt.

Allein im Viertel Las Colinas in Santa Tecla, einem Vorort von San Salvador, wurden bei einem Erdrutsch rund 500 Häuser verschüttet. Bislang wurden dort mehr als 200 Tote geborgen. 1.200 Menschen werden noch vermisst. Überlebende gehen davon aus, dass allein bei diesem Erdrutsch mehr als tausend Menschen ums Leben gekommen sind.

Das Ausmaß zweier Erdrutsche in Dörfern im Südwesten von San Salvador ist weiterhin unbekannt. Am Sonntagnacht waren die beiden Orte noch immer von der Umwelt abgeschnitten. Die Armee setzte Fallschirmspringer ab, um die Lage vor Ort zu erkunden.

Das Beben hatte mit einer Stärke von 7,6 auf der Richterskala am Samstag kurz vor Mittag El Salvador und den Süden von Guatemala mehr als 40 Sekunden lang erschüttert. Es war im Norden bis nach Mexiko und im Süden bis nach Costa Rica zu spüren. Das Epizentrum lag im Pazifik, rund 120 Kilometer vor der Küste El Salvadors. Die meisten Gebäude stürzten in der Küsten-Provinz Usulután ein. Die Polizei geht davon aus, dass mindestens 8.000 Häuser zerstört und 17.000 beschädigt wurden. In der Mehrzahl handelt es sich dabei um einfache Gebäude aus Lehmziegeln. Die Zahl der Opfer blieb bei diesen Einstürzen gering.

Nach einer vorläufigen Zwischenbilanz wurde die Mehrzahl der Opfer von Erdmassen verschüttet. Der verheerende Erdrutsch von Las Colinas ist dabei nicht nur dem Erdbeben zuzuschreiben. Die dortige Katastrophe ist zu einem guten Teil von Menschen gemacht. Las Colinas liegt am Rand einer Hügelkette, der Cordillera del Bálsamo, die das Tal von San Salvador von der Küstenebene trennt. Eigentlich stehen diese Hügel unter Naturschutz. Sie gelten als eine der letzten grünen Lungen der Hauptstadt. Oberhalb von Las Colinas aber wurde die Cordillera in den vergangenen Jahren gnadenlos abgeholzt.

Der Grund: Der deutschstämmige Hans Bodewig, Wohnungsbauminister der rechten Arena-Regierung unter Präsident Armando Calderón Sol (1994 bis 1999), bekam von seinem damaligen Kollegen im Umweltministerium eine Sondergenehmigung, um mit seiner Baufirma dort neue Wohnviertel aus dem Boden zu stampfen. Der ohnehin lockere Grund wurde so seines letzten Halts beraubt. Dieser entwaldete Hang stürzte nun auf Las Colinas herunter. Die Überlebenden machen Bodewig für die Katastrophe verantwortlich.

Auch Präsident Flores, ebenfalls Arena, ist in Las Colinas unerwünscht. Als er am Sonntag das Gebiet besichtigen wollte, wurde er von Überlebenden und freiwilligen Helfern mit Flüchen überschüttet und zog sich schnell wieder zurück. Die Regierung hatte am Samstag geschlagene neun Stunden gebraucht, um schweres Räumgerät an den Ort der Katastrophe zu bringen, obwohl dieser über eine nicht in Mitleidenschaft gezogene Schnellstraße leicht zu erreichen ist. Bis dahin hatten schon rund 2.000 freiwillige Helfer mit Schaufeln, Hacken und zum Teil mit bloßen Händen nach Überlebenden gegraben. Es wird der Popularität von Flores kaum etwas nützen, wenn er nun Gratis-Särge aus Kolumbien für die Toten zur Verfügung stellt.

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