: Millionen in die Quartiere
Stadtentwicklungssenator Strieder (SPD) stockt die Mittel für das Quartiersmanagement um 50 Prozent auf. Künftig sollen zudem die Bewohner entscheiden, welche Projekte finanziert werden
von RICHARD ROTHER
Die Mittel für das Quartiersmanagement in sozial benachteiligten Gebieten werden in diesem Jahr um 50 Prozent aufgestockt. „Wir wollen damit die Eigeninitiative der Bürger vor Ort fördern, sich für ihr Wohnumfeld stark zu machen“, sagte gestern Petra Reetz, Sprecherin von Stadtentwicklungssenator Peter Strieder (SPD). Der neu geschaffene Quartiersfonds stellt pauschal jedem Gebiet für zwei Jahre rund eine Million Mark zusätzlich aus Landesmitteln zur Verfügung.
Bisher erhielt das jeweilige Quartiersmanagement rund 300.000 Mark für Fixkosten, pauschal standen lediglich 30.000 Mark zur Verfügung. Darüber hinaus konnten die Manager der einzelnen Problemquartiere einzeln beantragte Mittel für konkrete Maßnahmen aus Landes- und Bundestöpfen einwerben. Durchschnittlich flossen so rund eine Million Mark in die betroffenen Kieze. Künftig stehen nun neben den 300.000 Mark Fixkosten 500.000 Mark für Projekte zur Verfügung. Zusätzliche Mittel können auch weiterhin eingeworben werden.
Die Sicht der Bewohnerinnen und Bewohner auf ihre Kieze werde unmittelbar durch tägliche Erfahrung geprägt, so Stadtentwicklungssenator Strieder. „Sie ist anders als der Blick der Verwaltung oder der Planer.“ Dem werde mit dem Quartierfonds Rechnung getragen. Denn jetzt sollen die Betroffenen vor Ort über die Verwendung der Mittel entscheiden. „Das kann hier die Sanierung eines Spielplatzes, dort das Pflanzen von Stiefmütterchen sein“, sagte Reetz. Die Eigeninitiative solle nicht mehr durch bürokratische Genehmigungsverfahren gebremst werden.
Über die Verwendung der Mittel in den Problemgebieten soll eine Jury entscheiden, die sich mehrheitlich aus per Zufallsprinzip dazu auserkorenen Anwohnern zusammensetzt. „Die kennen sich aus und sehen sehr genau hin, wofür das Geld ausgegeben wird“, sagt die zuständige Referatsleiterin in der Stadtenwicklungsverwaltung, Monica Schümer-Strucksberg.
Die 15 Problemquartiere sind geprägt von einem überdurchschnittlichen Anteil armer Bevölkerungsgruppen, der sukzessive ansteigt. Der damit einhergehende Kaufkraftverlust verringere das Angebot von Waren und Dienstleistungen, der Wegzug besser situierter Bevölkerungsschichten sei die Folge, so Schümer-Strucksberg. Diesem Prozess solle das Quartiersmanagement entgegenwirken. Die Maßnahmen zur Umfeldverbesserung könnten sehr verschieden sein. Die Sanierung einer Schule oder das Anlegen von Blumenrabatten könnten dazu gehören. Am Sozialpalast in der Schöneberger Bülowstraße sei etwa ein Parkplatz in einen Spielplatz umgewandelt worden. Zu den betroffenen 15 Quartieren zählen etwa das Kottbusser Tor in Kreuzberg, der Boxhagener Platz in Friedrichshain, der Sozialpalast in Schöneberg, der Helmholtzplatz in Prenzlauer Berg oder der Beusselkiez in Tiergarten.
Der stadtentwicklungspolitische Sprecher der PDS-Fraktion, Freke Over, begrüßte gestern grundsätzlich, „wenn die Bürger vor Ort Geld in die Hand bekommen“. Allerdings seien dies Mittel, die im Zuge der Haushaltsanierung den Bezirken gestrichen worden waren. „Davon kommt jetzt ein Teil zurück.“ Zudem flössen sie nun nur noch in Problemkieze, nicht mehr in den ganzen Bezirk. „Die Bezirke sind eigentlich für solche Maßnahmen zuständig und demokratisch legitimiert.“ Schließlich sei noch völlig unklar, wie künftig konkret über die Vergabe der Mittel entschieden werde.
Außerdem müsse man genau hinschauen, was konkret vor Ort geschehe. Am Boxhagener Platz in Friedrichshain habe man beispielsweise das Anpfanzen von Blumenrabatten finanziert. Weil der Platz das Hundeauslaufgebiet des ganzen Kiezes ist, wurden so genannte Platzbetreuer eingestellt. Diese sollen unter anderem verhindern, dass die Hunde die Rabatten zerwühlen. Mitunter sorgten sie übertrieben für Ordnung, kritisiert Over. „Die reißen Plakate ab, wo man Termine für die Mutter-und-Kind-Betreuung erfahren kann.“
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