■ Urdrüs wahre Kollumne: Zinsfüßige Grunzwerte
Heute jährt sich zum siebten Mal der Tag, an dem der volkstümliche Aktionist, Kommunalpolitiker und Selbstdarsteller Günter Kahrs alias Meister Propper wegen hier nicht weiter zu diskutierender, jedoch künstlerisch wertvollen Collagen ein Rathausverbot erhielt. Nun könnte Propperchen darauf warten, dass sich dieser Willkürakt dadurch von selbst erledigt, dass er in zwei Jahren ohnehin als neuer Bürgermeister in diese heil–gen Hallen einzieht, wo man die dauerhafte Rache offensichtlich immer noch kennt. Er will aber nun in menschenfreundlicher Großherzigkeit den Verantwortlichen Gelegenheit geben, ihr Unrecht von damals wieder gut zu machen und sich damit auch schon mal für eine Weiterbeschäftigung im öffentlichen Dienst, etwa als Servierkraft im Weberstraßen-Keller in Empfehlung zu bringen. Deshalb werden heute gegn 21 Uhr in eben diesem Keller Vertreter der Presse von der WELT bis hin zur KREISZEITUNG SYKE zu einer Lesung unter dem Motto „7 Jahre sind – begnadigt Propper!“ antreten und auch mein Geist wird über der Veranstaltung schweben, hat der Bürgermeister in spe mir doch in die Hand hinein versprochen, dass ich das Amt eines Närrischen Präsidenten im künftigen Elferrat der Wirtschaftsförderungsgesellschaft erhalten werde, inclusive Dienst-Rikscha und vereinsfreier Dienst-Parzelle mit Wohnlaube in der Waller Feldmark. Rathaus frei für Günter, der ja seine politischen Jugendsünden etwa als Vorstandsmitglied der Bremer Grünen mindestens so aufrichtig bereut wie Josef Fischer seien Mitgliedschaft in der Putztruppe des Rrrrevolutionären Kampfes!
„Dieser Koalition ist kein Kleingarten mehr heilig“, erklärt in dieser deiner Bremer TAZ der stellvertretende Parzellistenpräsident Detlev Murken und bricht damit zu Recht den Stab über dieses lebensfeindliche Bündnis der techno-verwirrten Kaputtplaner von Megalopolis. „Die Erde aber ist gegeben zum Ackern und Ernten dem gemeinen Manne, und so er daran soll gehindert werden, wird sich der Himmel selbst der Bedrängten annehmen und ihnen das Joch der Bedrückung abschütteln“, raunt uns aus alten Tagen der Gottesmann Thomas Münzer in das irdische Jammertal unserer Zeit. Wenn jetzt die Sozialdemokröte Fritzi Dopatka aus Schwachhausen die Liquidation ganzer Parzellensiedlungen fordert, sollte es selbst für die liebenswerte Naturschutzjugend selbstverständlich sein, für solche Reptilien keine Schutzzäune mehr zu bauen. Sollnse doch sehen, wie sie in ihren selbstgegossenen Betonwüsten überleben können – aber bitte nicht die anderen mit in das Elend ihrer zinsfüßigen Grunzwerte reißen! Wenn die SPD nun doch wieder umschwenkt und der Anregung von Gartenfreund Jens Böhrnsen folgt, die Fläche für die Tecknofreaks durch Verdichtung auf dem jetzigen Areal zu gewinnen, wird vielleicht irgendwann einmal der Maiglöckchenweg Böhrnsenallee heissen. Wäre das nicht ein Lebensziel, für das es sich zu kämpfen lohnt, Genosse Jens?
Mit Blumen sagt man dann und wann dem oder der das und das oder das. Und auf dem Bahnsteig erlebe ich jetzt einen ziemlich netten jungen Mann, der einer geradezu unziemlich hübschen jungen Frau einen Blumenstrauß überreicht, der aber von dieser sofort auf eine Bank gelegt wird, damit sie die Hände frei hat, um mit dem Rosenkavalier unter Aufbietung von Händen, Zunge, Mund und restlichem Leib in fast schon Vollkontakt zu treten. Nachdem man nach enthusiastischen zwei oder drei Minuten diesen hocherotischen Clinch gen Ausgang bewegt, ist das Blumengebinde in Vergessenheit geraten. Die beiden trollen eng umschlungen davon und während ich noch überlege, ob ich mir das Sträußchen mitnehmen soll, greift auch schon eine ältere Dame entschlossen zu und erklärt mit fröhlich: „In meinem Alter darf man nicht lange warten, wenn man so was schönes kriegen will.“ Wie recht sie damit hat ... Do it! Right now!!!
Kinder fragen bekanntlich immer sofort nach dem Start einer längeren Fahrt: „Wann sind wir da?“ Deshalb werden Kinder keine Außenminister, mutmaßt jedenfalls
Ulrich „Do it!“ Reineking
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