: Bebop, Bars und Pornokinos
Vom grimmigen Geheul zum mäandernden Monolog: Mit einer neu konzipierten Hörspielreihe erinnert der Deutschlandfunk an die Ära der Beatniks („Der Tod der Nilpferde, 20.05 Uhr, DLF)
von GABY HARTEL
Princeton, in den Vierzigerjahren: „Gentlemen“, rät der berühmte Erwin Panofsky seinen handverlesenen Studenten, „you have yet to discover the value of unneccesary knowledge!“ Eine knappe Zugstunde weiter nördlich, in New York, treibt sich zeitgleich eine Handvoll junger Männer herum – auf der Suche nach dem, was in den Augen ihrer Eltern „überflüssiges Wissen“ ist. Sie suchen es auf der Straße, in den Busbahnhöfen, in Pornokinos und Bars.
Von diesem hektischen Kreisen handelt „Der Tod der Nilpferde“ (heute, 20.05 Uhr).Wenn die Jungs auch enorm belesen sind, basteln sie trotzdem nicht an einer netten Uni-Zukunft – mit nettem Haus und einer netten Frau. Sie glauben vielmehr an die Macht des radikal erlebten Augenblicks und feiern ihn durch ihre Kunst und ihre Körper. Ihr (schriftstellerisches) Lebensglück liegt im rauschhaften Hier und Jetzt. Das einstmals „Erhabene“ in der Kunst wird emphatisch neu besetzt: durch Alltägliches, scheinbar Banales. Erfüllt und erschöpft („beatified“ und „beat“) leben sie Fleisch gewordene Kulturkritik. Ihr soziologisches Label ist schnell geprägt: „the lost generation“.
James Dean, Rimbaud, Poe und Blake hießen ihre Helden. Ihre Musik war der Bebop wie der Sound der Straße und des atemlosen Monologs. Ihre Feinde: das satte amerikanische Mittelmaß samt seiner selbstzufriedenen Politik. Jack Kerouac, Allen Ginsberg, William Burroughs, Lawrence Ferlinghetti, Neal Cassady, so heißen einige der schönen Männer mit dem düsteren Blick. Ohne die allerdings Andy Warhol, der Sonnyboy des Pop par excellence, wohl kaum vorstellbar wäre. („Das Tagebuch 1980/87“, 27. Februar).
So kultig diese Namenreihe heute klingen mag – noch Ende der Achtzigerjahre gehörte die Beat-Literatur wie ihre Lebenskunst zum „überflüssigen Spezialwissen“.
Herbert Kapfer und seine künstlerische Einsatztruppe, Carl-Ludwig Reichert und Karl Bruckmaier, produzierten damals ihre legendäre amerikanische Reihe beim Bayerischen Rundfunk. Um ihren literarischen Helden endlich wieder großräumig Gehör zu verschaffen und mit Hilfe von Beat und Pop das dröge gewordene Hörspiel zu beleben.
Grund genug, dem Phänomen eine neu konzipierte Reihe zu widmen, fand Elisabeth Panknin, Hörspielchefin beim DLF. Denn nicht bloß die Jugend Europas stürzte sich seinerzeit auf die Beatniks. Es war eine kulturelle Bewegung, an der niemand vorbeikam. Auch Skeptiker wie Alfred Andersch nicht. 1959 schrieb er mit „Der Tod des James Dean“ (6. Februar) einen Klassiker, der in einer rhythmisierter Collage versucht, dem Phänomen mal kritisch beizukommen: „Du finstere Jugend Amerikas: wo ist Dein Feind?“ Und wenn wir den melancholischen Jazz von Miles Davis zwischen den Textblöcken auftauchen hören, dann spüren wir tatsächlich ein Echo des Lebensgefühls der späten Fünfziger.
Natürlich übersteht kaum eine Produktion vierzig Jahre ganz taufrisch. Ein Glück also, dass Barbara Schäfer 1997 ein Remake herausbrachte (zu hören am 13. Februar), das Stück ohne Pathos sprechen ließ und mit Hilfe genialer Regiegriffe (wie Filmzitaten aus „Trainspotting“ und eingeschnittenen Live-Lesungen der Beatniks) einen atemberaubenden Drive herstellte. Auch Kerouacs „Unterwegs“ (30. 1.) erhält unter Schäfers Regie eine aktuelle, lebendige Vielseitigkeit.
Dass jeder Fan sein eigenes Beatnik-Bild mit sich herumträgt, ist ein Nebenfund der Reihe: So komponiert Ronald Steckel aus Ginsbergs Beat-Urschrei „Das Geheul“ (23. 1.) eine unglückliche Melange aus abgeklärtem Raunen und kunsthandwerklichem Bühnenpathos.
Dagegen ist „Index“ von Karl Bruckmaier (20. 2.) – eine Annäherung an Andy Warhol in 24 kurzen Audioschnipseln – überwältigend gut. So gut, dass man einfach nur „irre“ rufen will. Statt diesen Glückfall der Hörkunst mit Floskeln zuzuquatschen.
Bis zum 27. Februar, dienstags und samstags, immer um 20.05 Uhr.
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