Trüpel: „Wir werden hier belogen“

■ Wer hat die Macht in Bremen? Das Parlament ganz sicher nicht. Beobachtungen zweier Tage

Gestern in der Bürgerschaft. Nachhilfe in Sachen Parlamentarismus lehnt Wirtschaftssenator Joseph Hattig (CDU) ab. Zuvor hat ihn die Grüne Helga Trüpel gefragt, warum der Senat die Wirtschaftsdeputation nicht davon informiert habe, dass die Bremer Investitionsgesellschaft (BIG) ihre Anteile an der „Axon Technologie Consult“ verkauft habe (die taz berichtete). Ob Hattig das Deputationsgesetz kenne und den parlamentarischen Anspruch auf Information? „Ist mir bekannt.“ Warum denn dann die Parlamentarier nicht informiert würden? „Wir hielten eine Information nicht für erforderlich.“

Es geht weiter. Hattig habe den Parlamentariern erzählt, es gebe bei der Firma Axon einen Medien-Experten, deswegen solle die Firma ein 350.000-Mark-Gutachten zum Thema „Medienkompetenzzentrum“ machen. Den Mann gebe es nicht: „Wir werden hier belogen“, erklärte Trüpel. Zudem seien die Mittel bewilligt worden, ohne dass dazu gesagt wurde, dass die Axon vier Tage vorher verkauft worden war. Bittesehr, sprang die wirtschaftspolitische Sprecherin der SPD Eva-Maria Lemke-Schulte bei: Ob Hattig garantiere, dass die Parlamentarier künftig vor solchen Aktionen informiert werden? Hattig: „Ich sage zu, dass wir die Rechte, die die Deputation hat, sorgfältig aufnehmen und uns fragen, besteht hier ein Informationsrecht.“ So.

Nächste Szene. Bürgermeister und Justizsenator Henning Scherf (SPD) erklärt auf Anfrage der Grünen Anja Stahmann, warum die für Februar anvisierte Wiederbesetzung der Stelle des Landesdatenschutzbeauftragten – es wird der bisherige Stellvertreter Sven Holst – so lange gedauert habe: „Wir wollten die Wiederbesetzung hinauszögern, um Geld zu sparen.“ Das nehme man mit Irritation zur Kenntnis, erklärt Gisela Schwarz (SPD), aber: „Wir haben die Hoffnung, dass Ihre jetzige Zusage eine verbindliche für uns ist.“ „Liebe Kollegin“, sagt Scherf da zu ihr, auch Ausschussmitglieder müssten lernen, wie wichtig das Sparen sei. Auf das Angebot eines „Auffrischens der Gesamtlage“ in Richtung Schwarz bekommt Scherf den Beifall der CDU. Die SPD schaut vor sich hin. Auf den Nachsatz „Herr Bürgermeister, haben Sie unser Klagen nicht gehört?“ kommt: „Ich habe das als parlamentarische Routine hingenommen.“ Wo käme man denn hin, wenn nur der Senat spare. Wieder Applaus von der CDU, nichts von der eigenen Partei.

Und noch eine Sequenz. Die Grünen beantragen, einen Ausschuss einzurichten, der sich um die parlamentarische Kontrolle von Verwaltungsreform und Privatisierungen kümmert – Ziel: ein Gesetz. „Der Konzern Bremen ist in Wirklichkeit ein Chaosladen“, sagt die Grüne Karoline Linnert. Sollte das so bleiben und parlamentarischer Einblick weiterhin fehlen, „werde ich mich nicht scheuen, eine ganze Reihe von blamablen Beispielen, wann der Senat das Parlament nicht informiert hat, hier vorzutragen.“

Die Bürgerschaft hinke der Verwaltung hinterher, formuliert Wolfgang Schrörs (CDU), aber es gebe genügend Möglichkeiten, die die Grünen nur nicht wahrnähmen. Die SPD findet auch irgendwie, dass es an der Kontrolle hapert, aber die vorhandenen Kontrollinstrumente seien eigentlich genug, ein neues mache nur mehr Bürokratie – wie auch immer: Antrag abgelehnt.

Eine kleine Szene noch. Dienstagabend zu Gast beim Bremer Forum für Wohn- und Lebensqualität. Es geht um die Zukunft der Gewoba, genauer: um die Gefahr, dass einer wie der Bremerhavener Immobilienhai Karl Ehlerding die bei der BIG geparkten 24,2 Gewoba-Prozent als Belohnung für die Sanierung der Krause-Wohnungen bekommt. Das wäre das Schlimmste, war das Podium – darunter Uniprofessor und Gewoba-Aufsichtsrat Rudolf Hickel, SPD-Baupolitiker Carsten Sieling, Karoline Linnert als Gewoba-Aufsichtsrätin – sich einig. Aber viele Möglichkeiten habe man ja nicht, erklärt Hickel:

„Ihr Parlamentarier habt ja nichts mehr zu sagen. Es wird überall ausgemauschelt, nur nicht bei Euch im Parlament, wo es hingehört.“ Da bleibt Carsten Sieling, Angehöriger der herrschenden Partei, nur eine Hoffnung: „Es wird sich wohl niemand mit Parteibuch in höherer Position trauen, Anteile verkaufen zu lassen, ohne noch einmal einen Parteitag einzuberufen. Und da haben wir dann ein Instrument: die Öffentlichkeit.“ Sonst nichts.

Susanne Gieffers