Patriotenpflicht und Pressezensur

Auch nach Kabilas Tod laden die Arbeitsbedingungen für Journalisten im Kongo nicht zur unabhängigen Recherche ein

Auch nach dem Ableben des Präsidenten waren sich alle einig. „Selbst tot ist Kabila am Leben“, titelte L’Avenir, eine meistens dem kongolesischen Präsidenten ergebene Zeitung in Kongos Hauptstadt Kinshasa. „Einheit!“ forderte ganz einfach La Référence Plus, eines der meistgelesenen Blätter der Stadt. Die Presse Kinshasas überschlägt sich dieser Tage mit patriotischen Appellen an die Politik, den Kongo nicht noch tiefer in Krieg und Zerfall zu stürzen.

Viel mehr bleibt ihr auch nicht übrig. Kongos Journalisten wissen genauso wenig wie sonst jemand, was wirklich an jenem Dienstag letzter Woche passierte, als Kabila in seiner Residenz erschossen wurde. Sie sind auf Gerüchte angewiesen und können auch nur Gerüchte weitergeben.

Die Arbeitsbedingungen von Journalisten in Kabilas Kongo laden auch nicht zur unabhängigen Recherche ein. „Reporter ohne Grenzen“ nennt die Lage der Pressefreiheit im Kongo eine der schlimmsten in Afrika. Immer wieder werden Titel verboten oder beschlagnahmt und Journalisten eingesperrt; direkter Zugang zum Kriegsgeschehen ist nicht möglich.

Zeitungsverbote

In den Wochen vor Kabilas Ermordung, als die Unzufriedenheit mit seinem Regime auch in der Presse von Kinshasa allmählich immer offener artikuliert wurde, hatte sich die Lage verschärft. Im Dezember verbot das Informationsministerium aus formalen Gründen etwa 100 Zeitungen in Kinshasa – die meisten davon unregelmäßig erscheinende Blättchen ohne Nachrichtenwert. Es blieben offiziell 51 Titel, aber auch die hatten es immer schwerer: „Die unabhängige Presse ist Ziel von Drohungen, Angriffen und orchestrierten Beleidigungen vonseiten der Regierung und anderer Staatsorgane“, beschwerte sich der Journalistenverband „Medien für den Frieden“: „Kaum ein Tag vergeht, ohne dass die Presse beschuldigt wird, dem Feind zu dienen.“

Im Rebellengebiet des Nordens und Ostens ist die Lage insofern einfacher, als es dort schon vor Beginn des Krieges 1998 kaum noch Zeitungen gab. Die wenigen Blätter, die bis heute erscheinen, sehen sich massiven logistischen Problemen gegenüber: Sie können nur im benachbarten Uganda produziert werden, sind daher oft inaktuell und werden vor allem in den Nachbarländern vertrieben. Auf Absatz im Kongo können sie ohnehin kaum hoffen: niemand hat Geld, vor allem nicht die fünf US-Dollar, die das führende Blatt Les Coulisses noch 1999 verlangte – inzwischen hat es den Preis auf zwei Dollar gesenkt.

Die relative Autonomie ausgerechnet der Zeitungen aus dem Rebellengebiet im Vergleich zum übrigen Land führt jedoch zu einem paradoxen Ergebnis: Anders als die Rundfunksender der Region, die streng an die Kandare genommen werden, können sie viel freier berichten. So hat sich Les Coulisses zu einem regelrechten Enthüllungsblatt entwickelt. Es berichtet über Umweltschäden und Korruption und druckte kürzlich den geheimen Vertrag der Rebellengruppe RCD (Kongolesische Sammlung für Demokratie) mit einem libanesischen Diamantenhändler, mit dem sich dieser das Exportmonopol für Diamanten aus dem RCD-Territorium sicherte.

Kritik an Kriegsherren

In einer Ausgabe letztes Jahr wurden die führenden Kriegsfürsten des Kongo, die Präsidenten von Uganda und Ruanda inklusive, nebeneinander auf dem Titelblatt über einer Verurteilung der Ausplünderung des Landes durch die Kriegsherren des In- und Auslands abgebildet.

Möglich ist der Mut von Les Coulisses allerdings nur, seit das Blatt aus der RCD-Hauptstadt Goma in das Gebiet von RCD-Rivalen um die Stadt Bunia weiter nördlich zog. Die Machtkämpfe der in Bunia basierten Rebellenbewegung RCD-ML (Kongolesische Sammlung für Demokratie/Befreiungsbewegung) haben dort Journalisten von jeder Notwendigkeit zur persönlichen Loyalität befreit.

Als sich im November zwei Flügel der RCD-ML mitten in Bunia bekämpften, berichtete die Lokalzeitung Le Millénaire seitenlang mit allen Einzelheiten – ohne Schonung für eine der beiden Konfliktpartein.

Solche Berichte allerdings überqueren die Kriegsfront nicht. Um zu wissen, was in der jeweils „feindlichen“ Landeshälfte vor sich geht, müssen sich Kongos Journalisten letztendlich auf die internationalen Medien verlassen. DOMINIC JOHNSON