Ernüchterung in Davos

Weltwirtschaftsforum eröffnet: Der Weltwirtschaft steht laut Experten eine erhebliche Abkühlung bevor

DAVOS taz ■ Bei der gestrigen Eröffnung des Davoser Weltwirtschaftsforums ging es um die Weltkonjunktur. Die Euphorie des letzten Jahres hat Nüchternheit Platz gemacht: Der Wachstumsmotor US-Wirtschaft ist ins Stottern geraten. Noch vor wenigen Monaten hätte er eine „weiche Landung“ prognostiziert, sagte US-Wirtschaftsprofessor Alan Blinder bei einer Podiumsdiskussion: „Heute muss ich sagen, es wird ruppig bis hart.“ Das Wachstum dürfte sich von fast 5 auf 2 Prozent verringern.

Hinter der unerwartet starken Abkühlung der US-Wirtschaft stecken laut Blinder vier Faktoren: Zinserhöhungen der amerikanischen Notenbank, der steigende Ölpreis, der Einbruch der Technologiebörse Nasdaq und das Auszähltheater nach den Präsidentschaftswahlen. Erschwerend hinzu komme, dass „alle G-7-Staaten eine überraschend schwache Periode durchmachen werden“, so Kenneth Courtis, Vizepräsident von Goldman Sachs in Asien. Besonders problematisch seien nach wie vor die Aussichten Japans: hohe Staatsverschuldung, schnelle Alterung der Gesellschaft und Deflation. In Europa wird die Wirtschaft dieses Jahr nach Expertenmeinung noch mit 2,5 bis 3 Prozent wachsen. Das kompensiere nicht den Rückgang in den USA.

Zunächst auf dem falschen Fuß erwischt wurden die Konjunkturexperten, als aus dem Plenum die Frage kam: Ist Wachstumsmaximierung überhaupt wünschbar, müsste man nicht eher eine „Balance mit Umwelt- und Sozialfragen“ suchen? Die drei dann doch noch vorgelegten Antworten: Das Wachstum müsse selbstredend nachhaltig sein; es gebe keinen Konflikt zwischen Effizienz und Verteilungsgerechtigkeit; und für jene fünf Sechstel der Menschheit, die in Armut leben, sei Wirtschaftswachstum eine notwendige (wenn auch nicht hinreichende) Voraussetzung zur Verbesserung ihres Schicksals. HANSUELI SCHÖCHLI