: Castor sorgt für grüne Unruhe
Parteichef Fritz Kuhn und Umweltminister Jürgen Trittin verteidigen den Beschluss des Parteirates zu Atomtransporten. Neue „Enthüllungen“ über Trittin und Cohn-Bendit
BERLIN taz ■ In der grünen Partei geht die Debatte um die Art des Protestes gegen die Castor-Transporte weiter. Um eine Klärung der Position wird es morgen auf einer Tagung der Landesvorsitzenden in Berlin gehen. Parteichef Fritz Kuhn erklärte gestern, er könne nicht erkennen, dass die Grünen in dieser Frage, wie in Teilen der Öffentlichkeit behauptet, vor einer Zerreißprobe stünden. Er sei sicher, dass eine Mehrheit dem Beschluss des Parteirates folgen werde.
Der Parteirat hatte sich erst kürzlich gegen die Blockade „notwendiger Atomtransporte“ ausgesprochen. Diese seien mit dem Atomkonsens der Regierung „nicht vereinbar“. Die Resolution richte sich nicht gegen Demonstrationen, so Kuhn, solange diese nicht das Ziel hätten, den anstehenden Transport aus der Wiederaufarbeitungsanlage La Hague ins Zwischenlager Gorleben aufzuhalten.
Umweltminister Jürgen Trittin verteidigte den Inhalt des Beschlusses gestern in einem Brief an die niedersächsischen Kreisverbände. Aktionen gegen die notwendige Rücknahme von Atommüll aus Frankreich halte der Parteirat „unabhängig von der Form des Protestes, ob durch Sitzen, Gehen oder Singen – für politisch falsch“. Dies geschehe nicht, weil man gegen solche Protestformen sei, sondern „weil wir das Anliegen, weshalb gesessen, gegangen oder gesungen wird, ablehnen“, so Trittin in dem Brief, der der taz vorliegt.
Neben der Castor-Debatte geht die Auseinandersetzung um die Vergangenheit führender Grüner weiter. Die Bild-Zeitung druckte gestern ein Foto von einer Demonstration in Göttingen am 16. Juli 1994, auf dem der damalige Landtagsabgeordnete Trittin vor einer Gruppe schlagstockbewaffneter Vermummter zu sehen ist. Parteichef Kuhn verwahrte sich gegen den Eindruck, Trittin habe selbst Gewalt ausgeübt. Aus dem Bild ergebe sich keine „weitere Geschichte“, kein „Vorgehen von Jürgen Trittin“. Ein ebenfalls in der Bild-Zeitung zitierter Artikel von Daniel Cohn-Bendit, in dem dieser 1976 erotische Selbstbeobachtungen in einem Kinderladen beschrieben hatte, nannte Kuhn „bedenklich“ und ein Zeichen für „die Geschwätzigkeit“ damaliger Publikationen. Cohn-Bendit hatte in der Bild-Zeitung seinen früheren Artikel „inakzeptabel“ genannt: „Es sind Zeilen, die ich besser nie geschrieben hätte.“ SEV
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