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Millerntor im Fernsehformat

■ Heute überträgt DSF ab 20.15 Uhr live das Zweitliga-Spitzenduell des FC St. Pauli gegen den SSV Reutlingen. Ob der Aufwand dafür sich gelohnt hat, weiß man erst nach dem Spiel

Der Medien-Koordinator

Ob ein TV-Kurzbericht eines DFB-Pokalspiels oder die Live-Übertragung des Deutschen Sport Fernsehens (DSF) – der Aufwand an Kameras und Personal sei vergleichbar, meint Christof Hawerkamp. „Beim FC St. Pauli hat der Bereich der elektronischen Medien erheblich zugenommen“, erzählt der 38-Jährige, der seit neun Jahren den TV- und Hörfunk-Journalismus am Millerntor koordiniert. „Bestmögliche Bedingungen sollen gewährleistet sein, obwohl das bei uns nicht immer ganz einfach ist“, räumt er ein. Hawerkamp steht von Vereinsseite in Kontakt mit den Sendern, erfüllt Akkreditierungswünsche, muss aber auch einschreiten, sollten sich die Kamerateams nicht an die Auflagen halten. „Die stehen gerne mal ein bisschen dichter an der Linie, als erlaubt ist.“

Der Bildtechniker

Aus dem Walkie-Talkie quäkt eine fragende Stimme. Ingo Thomsen antwortet, gibt weitere Anweisungen. Sechseinhalb Stunden vor Anstoß beginnen die Vorbereitungen. „Zunächst müssen wir den Übertragungswagen verkabeln“, erklärt der 32-Jährige, der als erster Bildtechniker für die Koordination der Aufbauarbeiten verantwortlich ist. Fast acht Kilometer Kabel müssen verlegt, sieben Kameras, zahlreiche Monitore und drahtlose Mikrofonstrecken rund um das Spielfeld installiert werden. Entsprechend groß ist die Zahl der Mitarbeiter: Studentische Aushilfen, Bühnenmeister, Tontechniker – der Tross ist mit 45 Personen und drei LKWs angerückt. Bereits am Vortag wurde das Stadion in Augenschein genommen. Thomsen: „Etwa eine Stunde vor dem Spiel werden die technischen Proben und der Leitungscheck durchgeführt.“

Der Regisseur

Noch eine halbe Stunde bis zum Anpfiff. Im Regieraum des Ü-Wagens hinter der Gegengerade herrscht angespannte Atmosphäre. Auf Kontrollmonitoren flimmern die Bilder der Kameras herein. „Wir sind gleich drauf – noch 30 Sekunden.“ Markus Verhall, verantwortlich für Bildführung und Regie, bereitet eine Live-Schaltung für einen halbminütigen Stimmungsbericht vor: „Auf der 6 brauche ich Fans, die sich vor dem Regen schützen.“ Der Außenreporter ist auf Kamera 1 zu sehen, soll etwas freundlicher gucken und seine Mütze abbnehmen. „Sonst sieht man sein Gesicht nicht“, erklärt der 35-Jährige, der im ständigen Funckontakt mit den Kameraleuten steht. Er koordiniert die Schaltkonferenz zwischen den TV-Objektiven, wählt das Bildmaterial und die Perspektiven aus. „Etwa vier Monitore muss ich immer im Blick haben“, sagt Verhall, der seit zehn Jahren Fußball-Übertragungen aufeinander abstimmt. „Achtung bitte! Noch drei, zwei, eins...“

Der Kameramann

Eigentlich hätte er an diesem Tag frei gehabt. „Doch dann ist ein Kollege krank geworden“, erzählt Dieter Stypmann. Der 43-jährige Kameramann zoomt heran, was der Fußballfan in den entfernten vier Wänden sehen soll. Heute rücken sieben TV-Objektive, davon eines ausschließlich für Zeitlupen, den Kick ins Bild. „Bei Länderspielen sind bis zu 21 Kameras vor Ort“, verrät Stypmann, der seit beinahe 20 Jahren hinter dem Sucher steht. Von zu vielen Kameras hält er allerdings wenig: „Viele verschiedene Perspektiven sind unsinnig“, erklärt er, „weil sie das Spiel für den Fernsehzuschauer undurchsichtig machen.“ Am liebsten filmt er ohnehin direkt am Spielfeldrand: „Da sieht man ganz einfach mehr.“

Der Reporter

Auf dem Tribünendach der Gegengerade sitzt Thorsten Winkler in seiner luftigen Kommentatoren-Box und hat den besten Überblick. Der Reporter ist ausgestattet mit Kopfhörer, Mikrofon und zwei Monitoren. Handelt es sich um einen Kurzbericht, notiert er sich noch während der Begegnung seine Anmerkungen. Im pausenlosen Kontakt mit dem MAZ-Redakteur, der die wichtigsten Szenen in Absprache heraus- und sogleich zusammenschneidet, legt der 37-Jährige die Länge des Spielberichts fest. „Bei Abpfiff muss der weitgehend fertig sein“, erklärt Winkler, der seit 14 Jahren TV-Fußball in Worte fasst. Unterstützt wird er für gewöhnlich von einem „Flash-Reporter“, der nach der Begegnung bei Trainern und Spielern auf Stimmenfang geht. Ist Thomas Winkler beim FC St. Pauli im Einsatz, kommentiert er das Endprodukt, das je nach Spielverlauf bis zu zehn Minuten lang ist, aus der Fahrerkabine des Ü-Wagens, wo dann zusätzlich ein Bildschirm installiert wird. Winkler: „Ziemlich eng, aber sehr gemütlich da vorne.“ Oliver Lück

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