Kick mit besonderem Kick

Während Exspitzenreiter Schalke 04 nach dem 1:4 in Cottbus schmollt, nimmt Energie den Sieg routiniert zur Kenntnis und stellt fest, nur ein „Finalspiel“ gegen den Abstieg gewonnen zu haben

aus Cottbus MARKUS VÖLKER

Es ist immer wieder ein zirzensisches Vergnügen, gestandene Männer beim Schmollen zu beobachten. Minutenlang saßen Rudi Assauer und Huub Stevens wortlos vor den Journalisten. Manager und Trainer von Schalke 04 warteten auf den Beginn der Pressekonferenz. Beide mühten sich nach Leibeskräften, den Eindruck zu erwecken, ihre Mannschaft hätte soeben den Aufsteiger Energie Cottbus mit Pauken und Trompeten vom Platz gefegt.

Mit roten Bäckchen, die freilich nur von der Kälte herrührten, lugte Stevens recht munter in die Runde, wagte immer wieder ein Schwätzchen mit Assauer. Als die erste Frage Assauer dann aber erreichte, grummelte der nur tief gekränkt: „Bayern wird ja eh Meister“, und fiel in einen Ton, den Kinder treffen, wenn sie den Vorwurf „du bist doof!“ mit einem geharnischten „selber doof!“ kontern. Und ganz generell reiche den Schalkern eine Beteiligung am internationalen Wettbewerb, stellte Assauer fest, ging von dannen und ward nicht mehr gesehen.

Tatsächlich gewann nicht Schalke, wie es vom Tabellenführer der Bundesliga zu erwarten gewesen wäre. Energie Cottbus siegte vor 16.000 Zuschauern im Stadion der Freundschaft mit 4:1. Schalke reiste mit der Empfehlung in die Lausitz, die beste Abwehr der Branche zu haben. Nur 19 Treffer gelangen gegnerischen Spielern. Nun holte Torhüter Oliver Reck den Ball gleich viermal aus dem Netz. Eduard Geyer sagte unverfroren, er sei froh, dass sein Team die Tordifferenz habe aufbessern können. Hätte der Cottbuser Trainer solch einen Satz vor dem Spiel geäußert, es wären Zweifel an seiner Zurechnungsfähigkeit entstanden. So aber, den Spielverlauf im Sinn, musste man Geyer staubtrockenen Realitätssinn attestieren. In der Schlussphase hätten die Energetiker noch über mehr Tore jubeln können.

Schon zu Beginn des Spiels staunten die Zuschauer über das frei flottierende Kombinationsspiel von Cottbus. An „wunderschöne Stafetten“ erinnerte sich Sebastian Helbig, Cottbuser Stürmer. Schalke schien sich dagegen den miserablen Bodenverhältnissen anzupassen und stolperte linkisch über den gefrorenen Rasen. Kaum, dass die ersten Spuren in den Schneegries getreten waren, stand es 1:0. Vasile Miriuta traf mit einem Freistoß nach nur 45 Sekunden. Sebastian Helbig traf dann zum 2:0 (42.).

Schalke lief mit vier gelernten Stürmern auf (Ebbe Sand, Emile Mpenza, Gerald Asamoah, Youri Mulder). Man durfte ahnen – hier hat jemand Großes vor. Helbig empfand die Aufstellung als „reine Provokation“ und bemerkte: „Da konnte man schon denken, die nehmen uns nicht ganz für voll.“ Auf dem rutschigen Boden bewegten sich Schalkes kräftige Angreifer indes wie Elefanten auf Eis, während die zierlichen Helbig und Franklin Bittencourt auf der anderen Seite virtuos wirbelten, bei bester Bodenhaftung.

In Schalkes Abwehr wurde Tomas Waldoch bitterlich vermisst. Im Mittelfeld Andreas Möller. Zu Beginn der zweiten Halbzeit begann Schalke energisch. Der Schwung, den Ebbe Sands Anschlusstreffer in Minute 54 brachte, bremste neun Minuten später Jörg Böhme, der für einen linken Schwenker an Christian Beeck die Rote Karte sah. Andrzej Kobylanski und Antun Labak weideten sich schließlich am Gegner und sorgten für das Endresultat.

Während Yves Eigenrauch die Niederlage unter „Eigendynamik des Fußballspiels“ rubrizierte, stellte Trainer Stevens fest, ihm gehe es nicht um die Tabellenführung und erste Plätze, sondern nur um Punkte, und mit 37 aus 20 Spielen sei er immer noch „zufrieden“. Dennoch sei einzuräumen, dass sein Team „eine Klatsche“ bekommen habe.

In Cottbus nahmen die Verantwortlichen das Ergebnis gelassen, schließlich musste auch Bayern München schon drei Punkte im Land Brandenburg lassen. „Schön bescheiden bleiben, den Ball flach halten“, empfahl Geyer seiner Mannschaft. Er wolle sein Team nicht so viel loben, solche Siege seien ohnehin nur möglich, wenn bei Energie „alles ineinander greife“, die Spieler „topfit seien“. Zudem verlas Geyer eine Mängelliste, die seinen Schützlingen die Freude vergällen dürfte.

Warum Cottbus gegen Spitzenteams hervorragenden Fußball biete, wurde Dieter Krein schließlich gefragt? „Nun“, sagte der Präsident von Energie, „gegen die haben wir immer den besonderen Kick.“ Krein konnte aber seinen Ärger darüber nicht verbergen, dass gegen Tabellennachbarn der Kick meist fehle, und bemerkte also tiefernst: „Jedes Zurücklehnen ist für uns der sichere Tod.“ Sprach’s, setzte sich, lehnte sich zurück und schmollte. Wenn auch nur für ein paar Sekunden.

FC Energie: Piplica - Vata - Hujdurovic, Beeck - Reghecampf, Thielemann, Akrapovic, Kobylanski - Miriuta - Helbig (76. Ilie), Franklin (63. Labak) Schalke 04: Reck - Hajto, Happe, van Kerckhoven - Asamoah (65. Latal), Nemec (76. Büskens), van Hoogdalem, Böhme - Mulder (82. Mikolajczak) - Sand, Mpenza Zuschauer: 16.009; Tore: 1:0 Miriuta (1.), 2:0 Helbig (42.), 2:1 Sand (54.), 3:1 Kobylanski (72.), 4:1 Labak (75.); Rote Karte: Böhme (62.) wegen Tätlichkeit