piwik no script img

Scharons Optionen

Wenn der Oppositionspolitiker die Wahlen in Israel gewinnt, kann er mit den Rechten zusammengehen oder eine große Koalition bilden

aus Jerusalem SUSANNE KNAUL

Raketen auf Teheran und die Sprengung des ägpytischen Assuanstaudamms sind Vorschläge von Avigdor Liebermann, um künftig mit den „rechten Maßnahmen“ die Sicherheits Israels zu gewährleisten. Liebermann, Rechtsaußen-Chef der Immigrantenpartei „Israel Beiteinu“ („Israel ist unser Zuhause“), gehört zu den potenziellen Koalitionskandidaten von Ariel Scharon, der aller Wahrscheinlichkeit nach am Dienstag zum neuen israelischen Ministerpräsidenten gewählt wird.

45 Tage hat Israels künftiger Regierungschef im Anschluss an seine Wahl Zeit, um eine Koalition zu bilden. Für Scharon kommt entweder eine große Koalition oder ein Zusammengehen mit den rechten Parteien in der Knesset in Frage. Die Arbeitspartei signalisiert vorläufig wenig Kooperationsbereitschaft. Ehud Barak, amtierender Premierminister, lehnt eine nationale Einheitsregierung unter Scharon strikt ab.

„Barak wird mit einem Abstand verlieren, den es in Israel noch nicht gegeben hat“, prophezeit der Publizist Lior Chorew, der zusammen mit Partnern die Wahlkampagne Scharons leitet. Rein formal wäre nach einer Wahlniederlage eine parteiinterne Abstimmung über den künftigen Vorsitzenden innerhalb von 14 Monaten üblich. „Es gibt Leute, die geben Barak vielleicht gerade mal 14 Minuten bis zu seinem Rücktritt“, meint Chorew. Unter veränderter Führung mag die Stimmung zumindest in Teilen der Arbeitspartei mit Blick auf ein Zusammengehen mit Ariel Scharon weniger ablehnend sein als unter Barak.

Schimon Peres, ehemals Premierminister und in der Regierung Baraks Minister für Regionale Kooperation, würde vermutlich zumindest vorübergehend den Chefsessel bei der Arbeitspartei einnehmen. Die Umfragen der vergangenen Wochen, die ihm vorübergehend sogar einen Wahlsieg prophezeiten, wäre er angetreten, stärkten seine Position innerhalb der Partei. „Peres baut auf den Tag danach“, meint der Haaretz-Kolumnist Daniel Ben-Simon und urteilt: „Er treibt ein schmutziges Spiel.“

Zwar weist auch Peres vorläufig öffentlich strikt von sich, mit Ariel Scharon eine Koalition eingehen zu wollen. Doch wenn er vor der Wahl steht, Außenminister unter Scharon zu werden – dieses Angebot steht bereits – oder als einer unter vielen bis zur nächsten Wende in den Reihen der Opposition auszuharren, wird Peres kaum lange zögern. Die beiden alten Politiker kennen sich nicht nur schon sehr lange – Scharon und Peres sind zudem eng befreundet.

Zweifellos wird Peres nicht die gesamte Arbeitspartei in eine Koalition unter Scharon führen können. Israels Sozialisten steht eine Spaltung bevor. Justizminister Jossi Beilin versammelt seit Monaten die linken Friedensfreunde in der Partei um sich. Die Aussicht auf einen Ministerposten in der Scharon-Regierung mag den einen oder anderen schließlich doch in die Richtung des neuen Kabinetts locken. „Wir werden sehr großzügig sein“, erklärt Chorew. Ginge es nach Scharon, würde Ehud Barak im künftigen Kabinett kein geringeres Amt als das des Verteidigungsministers einnehmen.

Für den Frieden, der mit den bevorstehenden Wahlen ohnehin einen heftigen Rückschlag erleiden wird, ist die Koalition mit Teilen der Arbeitspartei die einzige Chance. Ohne die Sozialisten bleibt Scharon nur der Rückzug auf das rechte Lager und auf Rechtsaußen-Politiker wie Liebermann.

17 Fraktionen sitzen derzeit in der Knesset. Von 120 Abgeordneten gehören 58 den rechten und rechtsreligiösen Parteien an. Mit zwei Abgeordneten der Zentrumspartei, die ihre Rückkehr zum Likud ankündigten, sowie den Brüdern David und Maxim Levy hätte Scharon eine parlamentarische Mehrheit von 62 zu 58 Stimmen. Darin enthalten sind die 17 Mandate der orthodox-orientalischen Schas-Partei.

Eine erste Prüfung steht Scharon – egal in welcher Konstellation – am 31. März bevor. Dann muss er den Haushalt verabschieden, wenn er Neuwahlen verhindern will. Für die Schas-Partei ist es die erste Gelegenheit, die Hand aufzuhalten. Wer mit den orthodox-orientalischen Politikern zusammengehen will, muss tief in die Tasche greifen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen