: Dekor der Macht
Die Kalligrafie-Ausstellung „Siegel des Sultans“ soll in Berlin ein romantischeres Bild türkischer Kultur prägen
Die Einladungskarten schimmerten in dunklem Gold und luden zum Empfang ins Gebäude der Deutschen Guggenheim. Einen Tag bevor dort die Pforten fürs Publikum geöffnet wurden, gab sich dort der Leihgeber der Kalligrafie-Ausstellung persönlich die Ehre, der türkische Konzernchef Sakip Sabanci. Schließlich ist es seine Privatsammlung, die, nach Stationen in Paris und New York, nun auch in Berlin präsentiert wird.
Sakip Sabanci kennt in der Türkei jedes Kind: Als Herr über die größte Holdinggesellschaft des Landes steht er im Ruf, eine Art türkischer Onassis zu sein. Gerade weil er mit seiner Herkunft aus einfachen Verhältnissen kokettiert, ist seine Biografie, wie korrekt kolportiert auch immer, längst Legende. Immer wieder gerne erzählt Sakip Sabanci, wie sein Vater einst zu Fuß die weite Strecke vom mittelanatolischen Kayseri zur Küstenstadt Adana gewandert sei, um dort den Grundstein für das spätere Imperium zu legen.
Heute untersteht der Familie der größte Industrie- und Finanzkonzern der Türkei, dessen Aktivitäten weit verzweigt sind. Zur Popularität seiner Person trägt aber nicht zuletzt Sabancis philantrophische Ader bei: Der Unternehmer unterstützt soziale Einrichtungen und Schulen. In Istanbul hat er zuletzt eine Privatuniversität gegründet, der ein Museum angeschlossen ist, aus dem die in Berlin ausgestellten Schriftstücke stammen.
Doch die meisten der geladenen Gäste dürften sich am Samstag weniger aus Liebe zur Kalligrafie als vielmehr des türkischen Tycoons wegen im Lichthof des Hauses eingefunden haben. Und der enttäuschte sie nicht: Er berichtete in blumigen Worten davon, wie er sich am Morgen mit türkischen Unternehmern aus Berlin im Reichstag getroffen habe, und stilisierte die Begegnung gleich zum historischen Ereignis. „Als ich in ihre Augen sah“, sagt Sabanci, „sah ich Hoffnung.“ Und äußert selbst den Wunch, dass die ehemaligen Gastarbeiter, die heute Arbeitgeber sind, sich einmal wie er durch die Gründung von Universitäten und Museen hervortun werden. Denn, meint Sabanci, die Brücke zwischen den beiden Ländern, der Türkei und Deutschland, ruhe zwar auf den festen Pfeilern stabiler Wirtschaftsbeziehungen, könnte aber in kultureller Hinsicht durchaus mehr Verkehr vertragen. Und entschuldigt sich dafür, mit seinem eigenen Engagement erst so spät zur Stelle zu sein.
Dabei drängt sich der Eindruck auf, dass Sabanci den Sinn der Ausstellung „Siegel des Sultans“ vor allem darin sieht, noch ausbaufähigen Geschäftsbeziehungen einen statusgerechten Stempel aufzudrücken. Denn auch die Kalligrafie, die in den Räumen der Deutschen Guggenheim zu sehen ist, ist vor allem Dekor der Macht: Zu sehen sind offizielle Erlasse und Dokumente, die die Signaturen osmanischer Sultane schmücken, sowie Koranabschriften und andere Kostbarkeiten. Der hohe Wert der Kalligrafie in der islamischen Welt verdankt sich dem Umstand, dass das religiöse Bilderverbot die Konkurrenz anderer visueller Kunstformen über viele Jahrhunderte hinweg auszuschließen vermochte. Auch wenn sie nur repräsentativen Zwecken dient, umgibt sie stets eine sakrale Aura.
Prestigeträchtig ist auch das Rahmenprogramm der Ausstellung: Da werden in den nächsten Wochen Koryphäen der Islamkunde wie Annemarie Schimmel oder Navid Kermani zu Vorträgen erwartet. DANIEL BAX
„Siegel des Sultans“, Unter den Linden 13–15, Mitte. Täglich 11–20 Uhr,donnerstags bis 22 Uhr
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