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Befreit von den Fesseln des Despoten

Unter Interimstrainer Rolf Dohmen gewinnt die Eintracht in Rostock mit 2:0 und verlässt die Abstiegsränge

ROSTOCK taz ■ Jeder, sagte Rolf Dohmen, hätte diesen Job machen können. „Es musste nur abgerufen werden, dass die Jungs Fußball spielen können.“ Auch der Linksaußen der Frankfurter Eintracht, Marco Gebhardt, war der Überzeugung, dass jeder beliebige Trainer ein guter Trainer für seinen Verein wäre. Zeugwart Friedel Lutz und Masseur Detlef Müller schieden dann aber aus, vielleicht weil sie nicht so eloquent über ein Fußballspiel reden können oder ihnen nicht die nötige Autorität gegeben ist. Trainer, vielmehr „Interimstrainer“ Rolf Dohmen durfte also Bilanz seines ersten Spiels als Übungsleiter ziehen, die ungefähr so lautete: 2:0 gegen Rostock gewonnen, aus den Abstiegsplätzen gerutscht, Zeit bei der Suche eines Nachfolgers gewonnen.

Immer wieder fiel das Wort Befreiung, wobei sich der Eindruck einprägte, hier unternehme ein Verein die ersten zaghaften Schritte heraus aus der Despotie, hinein in die Demokratie. Von den Fesseln scheinbar befreit, mit denen die Untertanen zuvor an den Willen des Plutokraten gekettet waren, redete es sich beschwingter von der Zukunft, in der nicht mehr Personen die Richtung vorgeben sollen, sondern „das Konzept“. Der Vorstandsvorsitzende der Eintracht Frankfurt Fußball AG, Steven Jedlicky, sagte: „Wir brauchen nicht nur einen Alleinherrscher, der sagt, was geht, sondern einen Teamtrainer, der sich ins System einfügt.“ Man habe den entlassenen Felix Magath sehr wohl „als Chef im Ring“ akzeptiert, aber gleichzeitig festgestellt, dass man mit ihm nicht langfristig habe planen können. „Wir wussten, dass es einen Schub gibt, wenn Magath nicht mehr da ist“, ergänzte Präsident Peter Fischer.

Spaß, Freude und Lockerheit wollte Dohmen der Mannschaft lehren. Vor 11.000 Zuschauern im Rostocker Ostseestadion begann die Eintracht aber ebenso verkrampft wie Hansa. Eine halbe Stunde lang waren sämtliche Kicker vom Ehrgeiz getrieben, die Kollegen in der Summe der Fehlpässe zu überbieten. Nur einer fiel positiv auf: Frankfurts Stürmer Pawel Kryszalowicz, vom polnischen Erstligisten Amica Wronki nach Hessen gewechselt und Schütze des 0:1 nach 30 Minuten, hob sich vom Rest der Ballschieber deutlich ab. Danach zerfiel das Spiel der Rostocker zusehends. Paralytisch stolperte die Heimmannschaft über den Rasen. Als Rayk Schröder Gelb-Rot gezeigt wurde und Gebhardt zum 0:2 traf, fügten sich auch die Zuschauer in ihr Schicksal, einem potenziellen Absteiger beim destruktiven Tagwerk zuschauen zu müssen.

Rostocks Kapitän Peter Wibran wusste sehr wohl, dass man mit so einer Leistung nicht in der Bundesliga bestehen kann. Warum Hansa keinen ernsthaften Widerstand leistete, wusste er hingegen genauso wenig wie Trainer Friedhelm Funkel, dessen Ratlosigkeit mittlerweile mit den Händen zu greifen ist. Mit Büßermiene räumte Funkel ein: „Ich weiß auch nicht, wie so was zustande kommt.“ Und auf schnelle Eingebung hoffend, verriet er: „Ich werde morgen mal die Spieler befragen.“

Wie’s bei den Frankfurtern weitergeht, ist ebenfalls noch unbekannt. Klaus Toppmöller sei nur der erste Kandidat in den Zeitungen, nicht aber der des Eintracht-Vostandes, hieß es. Jedlicky jedenfalls kündigte an, die Kandidaten in den kommenden Tagen „abarbeiten“ zu wollen. Sehr wahrscheinlich sei, dass Rolf Dohmen, eigentlich Sportdirektor, auch gegen Cottbus auf der Bank sitze. Warum bleibt er nicht gleich dort, das leuchtende Beispiel Rudi Völlers vor Augen? „Nein, ich bin nicht nach Frankfurt gekommen, um den Trainer zu machen“, sagte Dohmen. Das könnte ja schließlich jeder. MARKUS VÖLKER

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