: „Scharon ist ein charmanter Mann“
Schimon Peres, israelischer Minister für regionale Kooperation und Friedensnobelpreisträger, äußert sich zu den Perspektiven der Arbeitspartei nach den Wahlen. Eine große Koalition ist für ihn von der Fortsetzung des Friedensprozesses abhängig
INTERVIEW: SUSANNE KNAUL
taz: Herr Minister, können Sie verstehen, warum sich die Wähler dem Likud-Kandidaten Ariel Scharon zugewandt haben?
Schimon Peres: Bei diesen Wahlen ging es um Personen, nicht um ein politisches Programm. Genau wie bei den letzten Wahlen stimmen die Wähler gegen die Regierungen. 1999 war es eine Wahl gegen Benjamin Netanjahu, und dieses Mal ist es eine Wahl gegen Ehud Barak. Eines kann ich zugunsten von Barak sagen: Er war mit einem unmöglichen parlamentarischen System konfrontiert. Er wurde von der Mehrheit der Wähler in ein Parlament gewählt, wo er keine Mehrheit mobilisieren konnte.
Sie haben Ariel Scharon vor kurzem als einen Mann der Vergangenheit bezeichnet. Warum?
Ariel Scharon glaubt an Macht, aber er versteht die Grenzen der Macht nicht. In der heutigen Zeit gewinnt man Kriege nicht mehr auf dem Schlachtfeld, sondern auf den Fernsehbildschirmen. Wenn ein kleines Kind vor einer Panzerbrigade steht, gewinnt das Kind. Ich glaube auch nicht, ob er versteht, was moderne Wirtschaft bedeutet. Heute ist die Welt verbunden, ist offen, frei und unmittelbar. Der Wettkampf geht um Geschwindigkeit, nicht um Land. Deshalb muss man die ganze Region integrieren. Denn wenn der Nahe Osten von Landwirtschaft dominiert bleibt, wird er arm bleiben. Voller Bitterkeit und Armut.
Sie kennen Scharon seit Jahrzehnten. Halten Sie sein Image eines Kriegstreibers für falsch?
Es ist nicht vollständig. Er ist kein Dummkopf, er ist durchaus in der Lage, eine Situation zu überdenken und dazuzulernen. Aber er wird es sehr schwer haben. Eine Wahl zu gewinnen, ist eines, sie zu nutzen etwas anderes. Er wird dieselben Probleme haben, eine Koalition zu bilden, wie Barak. Seine Chancen sind also schlecht.
Können Sie Ihr persönliches Verhältnis zu Scharon beschreiben?
Wir sind gute Freunde. Man muss in der Politik unterscheiden können zwischen persönlichen Beziehungen und politischen Überzeugungen. Er sagt, er stimme meinen Ideen zu, aber nicht der Geschwindigkeit, sie umzusetzen.
In der Arbeitspartei werden die Messer gewetzt. Es gibt einige, die nach der Wahlniederlage Ehud Baraks auf dessen Posten lauern. Wie sehen Sie die Zukunft der Arbeitspartei?
Die Partei besteht aus Leuten, die verstehen, wie weit man gehen kann, ohne seine eigenen Anhänger zu verlieren. Genau dieser Balanceakt zeigt uns, ob wir es mit einem großen Staatsmann zu tun haben oder nicht.
Würden Sie die Partei führen wollen?
Ich würde es vorziehen, wenn es ein anderer täte.
Warum haben Sie nicht anstelle von Barak kandidiert?
Ich habe es angeboten, aber mir fehlte die formal notwendige Unterstützung. Aber als ich die Umfragen sah, wollte ich unseren Selbstmord verhindern.
Unter welchen Bedingungen werden Sie einer Koalition mit Scharon zustimmen?
Nur auf der Grundlage eines gemeinsamen politischen Programms. Wir können keine Koalition per Ämterverteilung bilden. Wenn es die nicht gibt, wird es nicht gehen. Entscheidend ist der Friedensprozess und die Fortsetzung der Oslo-Verträge.
Wird Scharon jemanden wie Sie brauchen, wenn er wirklich verhandeln will?
Er wird Koalitionspartner brauchen. Er ist kein freier Mann.
Welche Qualitäten schätzen Sie an ihm besonders?
Er ist ein charmanter Mann, er ist weise, ein hervorragender Kämpfer. Er ist ein guter Gesprächspartner und politisch erfahren.
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