Im Leben nach dem Wüstenrock...

■ ...wissen sie genau, was sie tun: Calexico, verrockte Pferdeopern und meximerikanischer Mariachi-Sound

Staubtrocken ist die Wüste, so trocken, dass einem die Zunge am Gaumen festklebt. Das jedenfalls lehrten uns Giant Sand aus Arizona mit ihrer Musik. Zwischen fruchtbaren texanischen Weiden und mexikanischer Sierra liegt ihre Homebase mitten im Nichts, wenn man von ein paar Kakteen absieht. Und dort, im großen Staubschlamassel, schrieben Howe Gelb und seine Rhythmus-Männer Joey Burns und John Convertino ihre Lieder. Die sind so stachlig wie die Landschaft um ihre Hütte. Schroffe Gitarre (Howe Gelb) und gelegentlich schräger Gesang (derselbe) sorgten dafür, dass man sich nicht leicht anlehnen konnte, an diese Musik. Dass man sich in ihr nicht suhlen konnte, ohne einen Dorn im Rü-cken zu riskieren.

Eine leichter verdauliche Sicht auf die Sierra bieten Burns und Convertino mit ihrem eigenen Projekt. Bei Giant Sand für das groovende Gerüst zuständig, kochen die beiden seit einiger Zeit unter dem Namen Calexico ihr eigenes Süppchen. Und das ist längst erfolgreicher als der Wüstenrock aus Tucson und schmeckt sehr meximerikanisch, wie das Grenzkaff Calexico zwischen Cal(ifornien) und (M)exico, nach dem die beiden ihre Band benannt haben. Von diesem Calexico aus, so scheint es, streunen Burns und Convertino zu Pferde durch die Gegend, um in beiden Welten musikalische Schätzchen aufzulesen: mexikanische Melodien, Pedal-Steel-Gitarren, Mariachi-Trompeten, Mundharmonikas und Marimbas. Und was sie da in ihren Satteltaschen durch den Staub nach Hause schleppen, paaren sie mit dem berüchtigten Tucson-Wüstenrock. Nicht irgendwie und durcheinander. Calexico wissen genau, was sie da tun. John Convertino steuert mit eigenwilligen Betonungen an den Trommeln noch etwas Pfeffer à la Mexikana bei. Und Burns spielt nicht mehr nur Bass, sondern haut auch mal in die Orgeltasten und gibt dem Gebräu gelegentlich eine Stimme. Diese Mischung pressten sie genau so auf die Rille. Das hört sich dann an, als hätte Billy the Kid sich nach Mexiko verlaufen und spielte trotzig seine amerikanische Gitarre weiter, während er mitten durch eine Fiesta volluniformierter Mariachi-Musiker reitet.

Schon drei gefeierte Tonträger sind auf diese Weise entstanden. „Hot Rail!“ ist der Warnruf mexikanischer Gleisarbeiter in Arizona vor der herannahenden Eisenbahn. Hot Rail! betitelten Calexico auch ihre letzte CD/LP, die im Mai vergangenen Jahres erschien – als hätten sie geahnt, dass die Scheibe irgendwann heiß gehandelt wird: In Deutschland schoss sie auf Platz 43 der Charts, die Musik, die als Soundtrack für die nächste Pferdeoper genauso taugt wie für eine heiße Tanznacht – in Hamburg zum Beispiel. Auch diesmal kommen Calexico übrigens mit neuer EP Crystal Frontier und sechsköpfiger meximerikanischer Unterstützung.

Susie Reinhardt

Mittwoch, 21 Uhr, Fabrik