piwik no script img

Altersmilde eines Mafioso

Der seit 1993 einsitzende Boss des Clans der Corleoneser, Totò Riina, setzt auf Dialog mit dem Staat

von MICHAEL BRAUN

Als kürzlich die Nachricht durchdrang, gleich sechs in Haft sitzende Mafiabosse verhandelten mit dem Staat über ihren „Ausstieg“ aus der ehrenwerten Gesellschaft, da überraschte an der Meldung vor allem eines: Angeblich steckt der seit 1993 einsitzende Mafiaboss Totò Riina hinter der neuen Dialogstrategie.

Dabei war Verhandeln nie Riinas Weg. Andere Bosse der „alten“ Mafia mochten Kompromisse suchen, in der eigenen Organisation wie mit Politikern und der Staatsmacht – Riina setzte immer auf die Gewalt.

Schon mit 19 Jahren beging er seinen ersten Mord: In seinem Heimatstädtchen Corleone hatte es ein Kontrahent Riinas gewagt, während einer Bocciapartie ihm als Sprössling einer alten Mafiafamilie den gebührenden „Respekt“ zu verweigern. Doch schon nach sechs Jahren Knast war Riina wieder draußen und begann seinen rasanten Aufstieg.

Dabei musste der junge Riina ganz unten anfangen, denn im Unterschied zu ihren Vettern in der Großstadt Palermo lebten die Mafiosi in Corleone in recht bescheidenen Verhältnissen, schlugen sich mit Viehdiebstahl und illegaler Viehschlachtung durch. Nicht reden, sondern schießen: Dieses Rezept wurde zum Erfolgsgeheimnis der „Corleonesi“. Mord um Mord stieg Riina in die Führungsspitze der Mafia auf. Anfang der Achtzigerjahre entfesselte er den bisher blutigsten Krieg in der Geschichte der Mafia. Einer nach dem anderen wurden die reichen, eleganten Bosse aus Palermo von der Armee des „ungeschlachten Bauern“ liquidiert.

Dass er mit gleicher Brutalität die Auseinandersetzung mit dem Staat suchte, der es gewagt hatte, 1986 im „Maxi-Prozess“ hunderte Mafiosi abzuurteilen, wurde Riina schließlich zum Verhängnis. Als er am 15. Januar 1993 den Fahndern ins Netz ging, eskalierte die Mafia ihre Terrorstrategie weiter, legte Bomben in Rom, Mailand und Florenz. Ohne Erfolg: Riina wurde gleich mehrfach zu lebenslänglicher Haft verurteilt. Und die Mafia vollzog eine Wende. Riinas alter Kumpan aus Corleone, Bernardo Provenzano, setzt heute wieder auf die alten Methoden, auf das stille Geldverdienen ohne spektakuläre Morde. Auch die Bosse im Knast genießen nicht mehr wie früher fürstliche Bedingungen, sondern brummen ihre Strafen in strenger Isolation ab, ohne Kaviar und Damengesellschaft. Auf seine alten Tage scheint so auch Riina zur Einsicht gekommen zu sein, dass die Mafia immer dann am besten fuhr, wenn sie statt des frontalen Zusammenstoßes das Nebeneinander mit der Staatsmacht betrieb.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen