piwik no script img

themenläden und andere clubsAuf der Berlinale-Eröffnungsparty im Interconti

Abgreifen und Sekt trinken

Jetzt geht es also wieder los mit den ganzen tollen, wilden, unvergesslichen Partys, auf denen man zwischen Filmstars und Fernsehfuzzis die Contenance verliert und von denen man noch 20 Jahre später beim Rekapitulieren Kopfschmerzen bekommt.

Die Eröffnungsparty der Berlinale war dafür aber ein eher moderater Auftakt. Das Interconti platzte natürlich vor Petit Fours und diesen Sektträgerinnen mit ihren vollen Tabletts. Am besten machte man sich gleich eine von ihnen hörig und ließ das arme Ding fortan im Viertelstundenrhythmus frisches Nass an den wackeligen Stehtisch bringen. In dessen Kante man immer dann beißen musste, wenn einer dieser Semistars dieser Berlin-Bagage sich vorbeischob und dann doch wieder kleiner war als gedacht.

So einer wie Jürgen Vogel spielt ja damit, der weiß seine kleine Größe sogar zu nutzen. Aber ist eigentlich bekannt, dass Ullrich Meyer sich nicht nur diesen Betroffenheitsblick hat anoperieren lassen, sondern auch noch ungefähr einen Kopf größer als ein Mülleimer ist? Nein? Nun gut.

Jude Law war absent, der hatte am Abend noch seinen dummen Film eröffnet. Aber was soll der auch auf einer Berlinale-Eröffnungsfeier? Geht ihm an dem (hübschen, runden, knackigen etc.) Hintern vorbei. Stattdessen nur wieder wir, die wir gerne umsonst Sekt trinken, Häppchen schnabulieren, uns gegenseitig beim Um-die-Buffets-Schieben beobachten, uns umarmen lassen und dabei „Moi! Moi! Moi aussi!“-Luftküsse hauchen müssen. Schrecklich. Aber auch irgendwie nett. Alle waren so gelöst: Man konnte sogar die FAZ bespitzeln, die wusste natürlich nicht, dass die taz dahinter stand und lauschte. Sieht man ja niemandem an, welches Päckchen man zu tragen hat. So verriet ein FAZler seinem Kollegen „Ich warte nur darauf, auch abgeworben zu werden!“, und beide schienen es für ziemlich sicher zu halten, dass nicht Florian Illies, sondern Hubert Spiegel der neue Literaturchef bei der FAZ werden würde.

Irgendwann spätabends waren sogar die Fotografen betrunken. Sie hatten keine Lust mehr, mit ruhiger Hand Maria Schrader, Heino Ferch oder Mutter Beimer und so weiter abzuknipsen. Nein, sie wollten zu ihren zittrigen Händen stehen. Wollten sich ebenfalls auf dieses alberne Cocktailkarussell stellen, das in der Mitte des Raumes so langsam im Kreis herumfuhr, dass man die ersten fünf Minuten des Zuguckens noch dachte, es liege an einem selbst. Wer sich das wohl ausgedacht hat: Hochprozentige Drinks auf einer sich bewegenden Fläche zu servieren! Wenn man es doch nur schneller einstellen könnte! Dann würden die CocktailtrinkerInnen rechts und links um sich brechen wie die Osterglocke in der Brillenladenwerbung, die vor Ekel über die Super-Seventies-Brille ihrer Betrachterin eine Portion Blumenkotze über den Rasen sprüht. Ein Heidenspaß wäre das gewesen.

Stattdessen mischte man sich unter die Leute, griff rechts und links volle Sektgläser ab, faselte hier, faselte da und ignorierte, dass das hier fast die einzige Party der Welt ohne Musik war. Wer Musik wollte, musste in die Vorhalle gehen: Da brach sich der Hauspianist jazzig die Finger. Aber das war gar nicht nötig. Allen klangen ohnehin die Ohren. JENNI ZYLKA

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen