Proteste gegen den „Todesengel“

Anlässlich des Besuchs einer EU-Delegation in Belgrad demonstrieren rund 1.000 Menschen gegen den Repräsentanten der gemeinsamen Außenpolitik, Xavier Solana. Sie machen ihn für Leid und Zerstörung während der Nato-Angriffe verantwortlich

aus Belgrad ANDREJ IVANJI

Normalerweise hätte die hochrangige Delegation der Europäischen Union in Serbien kein Aufsehen erregt. Schwedens Außenministerin Anna Lindh und EU-Außenkommissar Chris Patten wären gestern in Belgrad gern gesehene Gäste gewesen, die den neuen Behörden zum Wiederaufbau des unter Slobodan Milošević sozial, wirtschaftlich und politisch ruinierten Landes verhelfen sollten.

Doch der dritte Vertreter Europas löste bei den Serben helle Aufregung und fast vergessene xenophobische Gefühle aus: Xavier Solana, hoher Repräsentant der EU für die gemeinsame Außenpolitik, während der Luftangriffe der Nato auf Jugoslawien im Frühjahr 1999 Generalsekretär der Allianz, in Serbien auch der „Todesengel“ genannt.

Viele Belgrader können es einfach nicht begreifen, was derjenige, den sie für Krieg, Tod, Leid, Zerstörung und große Ungerechtigkeit verantwortlich machen, in Serbien zu suchen hat. Und die neuen Machthaber Serbiens machen gute Miene zum bösen Spiel. Ohne die EU wird nichts laufen, das weiß man nur zu gut.

In Abwesenheit wurde der Spanier vor einem Jahr von einem serbischen Gericht zu 20 Jahren Haft wegen „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ verurteilt, zusammen mit Josef Fischer, Gerhard Schröder, Hubert Védrine etc. Der Haftbefehl gilt immer noch, die Milošević-treuen „patriotischen Kräfte“ appellierten an die „legalistische“ serbische Regierung, sich an das Gesetz zu halten und Solana verhaften zu lassen.

„Realistisch ist es natürlich nicht, aber eigentlich sollte man ihn verhaften. Oder ihn zumindest durch Serbien führen, damit er persönlich die Zerstörung sieht, für die er verantwortlich ist“, sagte der 27-jährige Jurist Branislav Petković, der seine ganze „Jugend im Kampf gegen das Regime Milošević vergeudet hat“.

Rund 1.000 Menschen demonstrierten gegen Solana und legten den Verkehr im Zentrum Belgrads lahm. „Verhaftet ihn!“, schrien die „Patrioten“ wütend und verbrannten eine Puppe, die den verhassten Spanier darstellen sollte. Die US-Botschaft wurde mit Steinen beworfen, Kerzen für die „durch Nato-Bomben getöteten Menschen“ angezündet.

Unter den Demonstranten waren die engsten Mitarbeiter von Slobodan Milošević, wie Expremier Mirko Marjanović, gegen den ein Haftbefehl des Haager Kriegsverbrechertribunals vorliegt. Die gleichen Polizisten versperrten ihnen den Weg, die in ihrem Auftrag ein Jahrzehnt Proteste für die Demokratie brutal niedergeschlagen hatten.

Pflichtgemäß empfing Jugoslawiens Präsident, Vojislav Koštunica, die EU-Delegation. Herzlichkeit wollte im Gespräch nicht aufkommen. Auf der Tagesordnung standen die fünf brennenden Probleme in Jugoslawien: Der Status des Kosovo, das Fortbestehen der Föderation zwischen Serbien und Montenegro, der Wirtschaftsaufbau, die Zusammenarbeit mit Den Haag und die Krise in Südserbien. Diese könnte im Frühling zu einem Krieg zwischen albanischen Extremisten und den serbischen Sicherheitskräften eskalieren.