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Nachtfahrt mit dem Entführer

Dreckig, trocken, viel zu kurz: Barbara Geblers DFFB-Abschlussfilm „Salamander“ (Forum). Sogar Berlin sieht cool aus

Zugegeben, es ist nicht leicht vorzustellen, aber es kann einen deutschen Film geben, in dem eine kickboxende Protagonistin Sachen sagt wie „Easy, o. k.?“, ohne peinlich zu wirken. „Salamander“ ist so ein Film. Ein Film, in dem zwar eindeutig zu viele aktuelle oder ehemalige Musiker mitspielen, aber dafür gut spielen. Ein Film, in dem Berlin den Großstadtdschungel geben muss und mal nicht an dieser Aufgabe scheitert. Eine einzige Nacht wird wie im Rausch durchlebt, mit zu vielen Schlaftabletten, mit Martial-Arts-Einlagen und Speed am Steuer, mit stimmigen Dialogen und ziellosen Fahrten durch die Stadt. Fallstricke hätte es also genug gegeben, aber das Ergebnis ist doch tatsächlich ein kleiner, dreckiger Film geworden, der exakt so funktioniert, wie er gemeint ist. Genau die Sorte also, von der es hierzulande eindeutig zu wenige gibt.

Sandra, gespielt von Henriette Heinze, will aus dem Passfälschergeschäft aussteigen. Sie überwirft sich mit ihrem Partner, der daraufhin im Kofferraum eines klappernden Peugeots landet, während Sandra auf der Suche nach ihm mit seinem Entführer das neue Berlin erkundet. Es wird geflirtet und gestritten, vertraut und betrogen, verfolgt und gefunden. Und immer wieder geprügelt, wobei meist die Protagonistin ihre männlichen Gegner mit trockenem Handkanteneinsatz zu Boden schickt. So gesehen markiert „Salamander“ auch die längst überfällige Ankunft des gestählten, kampferprobten Frauenkörpers im deutschen Kino, den man zuerst in Asien, dann in Hollywood und längst sogar auch schon im deutschen Fernsehen entdeckt hat.

Aber dann steckt tatsächlich noch mehr drin in diesem leider viel zu kurzen Film. Es geht auch ums Erwachsenwerden, um den Abschied vom Leben in Popmodellen und, auch das kaum zu glauben, ein wenig auch um die Liebe. Also spielt in einer Unterführung ein Obdachlosenpärchen eine wundervoll scheppernde Version von „TNT“ von AC/DC: „Love is back in town“, dröhnt es nun unter dem Potsdamer Platz, dem neu errichteten, kalten Herzen der Hauptstadt.

Regisseurin Barbara Gebler hat an der DFFB in Berlin studiert, „Salamander“ ist ihr Abschlussfilm. Wenn man dort eine solch trockene Filmsprache lernt, muss einem nicht bange sein um die Zukunft des deutschen Films. Wo reden Filmfiguren denn sonst schon wie echte Menschen? Wo werden Sequenzen aus Video- und Überwachungskameras so souverän mit 35 Millimetern verschnitten, ohne dass es nach Kunstgewerbe müffelt? Wo darf Bela B. Felsenheimer (hauptberuflich immer noch Ärzte-Schlagzeuger) mal ganz und gar sein eigenes Image sein auf der Leinwand, ohne dabei lächerlich gemacht zu werden, und Mario Mentrup (schon lange nicht mehr Noise-Avantgardist bei Knochen=Girl) verdientermaßen endlich mal nicht mehr nur in der Autowerbung spielen? Wo schon wird jederzeit eine ironische Distanz zu den Figuren aufrechterhalten, ohne sie aber zu verraten oder auch nur den liebevollen Blick auf sie zu verlieren? Wo geht das? In einem deutschen Film. Schwer zu glauben, aber wahr.

THOMAS WINKLER

„Salamander“. Regie: Barbara Gebler, Deutschland, 60 Min.

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