Hey, es geht weiter!

Mit „Late Night Shopping“ hat Heike Makatsch ihren ersten englischen Film gedreht. Die Schauspielerin über Kultur, Kommunen und S-Bahn-Fliegerei

INTERVIEW: KIRSTEN KÜPPERS

„Late Night Shopping“, das Spielfilmdebüt des englischen Regisseurs Saul Metzstein, ist ein gut gelaunter Slacker-Film über trostlose Billigjobs und traurige Liebesprobleme. Das Leben der vier Helden scheint ausweglos gefangen in den Nachtschichten von anonymen Krankenhäusern, Supermärkten, Mikrotechfirmen oder Callcentern. Im örtlichen 24-Stunden-Café schlagen die Freunde ihre Pausen bis zur nächsten Schicht tot. Sean (Luke de Woolfson) hat wegen seines nächtlichen Putzjobs seine Freundin Madelaine seit Wochen nicht mehr gesehen, obwohl er eigentlich mit ihr zusammenwohnt. Um herauszufinden, ob sie ihn nicht überhaupt schon verlassen hat, kontrolliert er täglich ihr Seifenstück. Madelaine selbst, gespielt von Heike Makatsch, taucht tatsächlich erst sehr spät auf. Es folgen Untreue, Streit und Versöhnung. Alles zusammen ein schöner Film über junge Menschen in modernen Arbeitswelten. Am Montagabend hatte der Film im Panorama-Programm der Berlinale Premiere.

taz: „Late Night Shopping“ ist Ihr erster englischer Film?

Heike Makatsch: Ja, es hat mich gereizt, einen britischen Film zu machen. Und es ist eine tolle Rolle. Zwar ist es ärgerlich, dass ich nicht die ganze Zeit auf dem Bildschirm bin, aber es wird ständig über mich geredet, was ja auch ganz gut ist. Außerdem fand ich die Geschichte zwischen Sean und Madelaine sehr nachvollziehbar. In Beziehungen lebt man oft irgendwie nebeneinander her. Keiner von beiden traut sich an der Oberfläche rumzukratzen, weil sie Angst haben, dass dann das ganze Geschwür rauskommt. Insofern ist das mit der Nachtschicht und der Tagschicht auch eine Metapher.

Ihnen hängt immer noch der Ruf des Lieblingsgirlies an. Jetzt spielen Sie wieder ein süßes Mädchen, und ein häufiger Satz im Film lautet: „It’s a girl thing“.

Ich habe in den letzten Jahren auch Filme gemacht, die in den Dreißigerjahren spielen oder in der Heilsarmee. Da gab es nicht nur Girlietypes. Madelaine ist einfach eine junge Frau, die in die Freundschaftsgemeinde der vier anderen reinpasst. Ich freue mich, dass ich so was noch spielen kann.

„Late Night Shopping“ ist ein englischer Film mit englischen Darstellern. Sie wohnen jetzt in London. Haben Sie mit Deutschland abgeschlossen?

Nein, bis jetzt ist Deutschland noch mein Hauptbetätigungsfeld. Wenn es um einen schönen Film geht, dann mache ich den genauso gerne hier. Dass ich in England arbeiten kann, weitet die Möglichkeiten aus, ein gutes Drehbuch zu finden. Ansonsten lebe ich zwar in London, pendle aber ständig zum Arbeiten nach Deutschland. Das Flugzeug ist meine S-Bahn.

Im Wettbewerb der Berlinale ist kein deutscher Film vertreten. Wie beurteilen Sie den Zustand der deutschen Kulturindustrie?

Die Deutschen haben ja schon seit einem halben Jahrhundert Schwierigkeiten, eine Identität in ihrer Kultur zu finden. Das ist verständlich und lässt sich auch nicht von heute auf morgen lösen. Versuche gibt es immer mal wieder. Manche haben für eine kurze Zeit Erfolg, und dann wollen das alle kopieren. So läuft das aber nicht. Das muss mehr Eigenständigkeit und Leichtigkeit bekommen. Letztendlich gibt es aber immer wieder einen Film, wo man das Gefühl hat, hey, es geht doch weiter! „Die Unberührbare“ zum Beispiel. Ein wunderbarer Film, der auch Anerkennung bekommen hat. „Lola rennt“ hat es auch auf internationale Leinwände geschafft und steht jetzt in jeder englischen Videothek.

Auch Länder wie Frankreich oder England erwarten nicht ständig große Meisterwerke. Insofern finde ich diese allmonatliche Bestandaufnahme in Deutschland anstrengend. Wichtiger wären mehr Koproduktionen mit anderen Ländern und Geldgeber, die den europäischen Film mehr aufleben lassen wollen. Außerdem überlegen es sich manche deutsche Filmemacher eben zweimal, ob sie auf die Berlinale gehen, weil der deutsche Film es hier im Wettbewerb immer sehr schwer hat.

Sind die Produktionsbedingungen in England anders gewesen?

Überhaupt nicht. Die Arbeit an einem Filmset ist universal. Da braucht man überall dieselben Techniker, jeder muss was zu essen haben, und es gibt eine Hierarchie, die aber demokratisch ist. Das war in England genauso.

In „Late Night Shopping“ arbeiten die Helden nachts am Fließband, räumen Supermarktregale ein, putzen oder arbeiten im Callcenter. Haben Sie solche Jobs auch schon gemacht?

Ich habe auch mal Supermarktregale eingeräumt. Da war ich 14. Und gekellnert habe ich auch.

Sie haben neulich gesagt, Sie träumen davon, eine Kommune zu gründen.

Da ging es darum, eine Sehnsucht zu beschreiben. Meine Grundidee war ein Beieinanderhaben von Menschen, die man liebt. Denn das ist sicherlich etwas, was in meinem Leben fehlt. Man reist ständig, die Freundschaften verteilen sich auf viele Städte. Ich weiß allerdings auch nicht, was meine Freunde davon halten würden, wenn ich ihnen anordnen würde, dass sie doch bitte alle auf meinen Bauernhof ziehen müssen.

In dem Film sind die jungen Menschen apathisch oder depressiv. Sie machen eher den Eindruck einer fröhlichen Person.

Ich mache sicherlich keinen Seelenstriptease, wenn ich in der Öffentlichkeit stehe. Das geht auch niemanden etwas an. Aber ich kann es nachvollziehen, wenn sich jemand in einer Sackgasse fühlt. Das sind Gefühle, die ich auch empfinde. Im Moment bin ich zwar nicht in einer solchen Identitätskrise wie die Menschen im Film. Aber ich mache ja auch ständig Bestandsaufnahmen unserer Gesellschaft, was sie den jungen Menschen bietet und wie sich Menschen darin fühlen. Es ist ja nicht so, dass ich ignorant genug bin zu denken, dass meine Situation genauso ist wie die aller anderen.