: Mit dem Charme struppiger Straßenköter
■ Energieball aus Blues, Soul und Jazz: „Speedball Baby“ heute im Hafenklang
Speedball Baby haben nicht verdient, dass sie in Deutschland sprichwörtlich kein Schwein kennt. Die vier New Yorker wissen, wie man aus den Wurzeln von Blues, Soul und Jazz eine wüste Essenz gewinnt und in ein aufregendes neues Gewand kleidet. Anders als ihre Kollegen von der Jon Spencer Blues Explosion unterlegen sie ihren Power-Blues nicht mit elektronischen Beats und Samples, sondern kochen allein mit handgemachter Musik ihr heißes Süppchen.
Mit ihren verpunkten Perlen amerikanischer Sumpf-Musik landeten Speedball Baby 1996 auf dem Majorlabel MCA. Das brachte ihnen allerdings „außer 85.000 US-Dollar wenig Freude, denn die Platte floppte, weil sie von MCA nicht adäquat promotet wurde“, sagt Matt Verta-Ray, Gitarrist der Band. Das Geld ist längst futsch, verfeiert, den Rest steckte das gemischte Quartett ins eigene Aufnahmestudio.
Und das war gut so, denn dort nahmen sie kürzlich ihren zweiten Longplayer unter Idealbedingungen auf. „Weil uns das Studio gehört, konnten wir uns für diese Platte so viel Zeit nehmen, wie wir brauchten, und schließlich alles, was schlecht war, rausschmeißen“, sagt Verta-Ray, der die Knöpfe bediente und die Platte auch produziert hat. Und die klingt hitverdächtig. Im Titelstück „I'm Addictive“ schleudern sie dem Hörer schmissigen Rockabilly um die Ohren, um sich kurz darauf in der herzzereißenden Soulschnulze „December?“ zu verzehren.
Uptight! ist soeben beim kalifornischen Label In The Red Records erschienen. Der Boss dieser Ein-Mann-Firma, Larry Hardy, pflegt sein Faible für bösen Blues und presst alles, was danach riecht, in die hauseigenen Rillen. Newcomer finden sich da neben Jon Spencer und Mick Collins (Ex-Gories). Letzterer wurde übrigens für einen Track auf Uptight! als Gastsänger verpflichtet.
Nicht nur auf ihren Tonträgern, auch auf der Bühne vergreifen sich Speedball Baby frech an der Musik ihrer Ahnen, quälen die Saiten und stülpen dem Publikum ein schwitzendes Set über. Sie schmeißen sich in die klaffenden Löcher der Grooves, als setzten sie zum letzten Sprung vom Dach eines Hochhauses an. Sänger Ron Ward schlug dabei bei einem realen Sprung von der Bassdrum schon mal so unglücklich auf, dass er nicht nur kurz den Faden, sondern gleich das Bewusstsein verlor. „Das phantastische an Ron ist, dass er immer im Hier und Jetzt lebt und nichts zurückhält“, beschreibt Verta-Ray das Energiebündel. Aber Ward kennt auch ruhigere Töne. So bedienen Speedball Baby nicht nur die Hüften, sondern geben auch Raum für romantische Gefühle. Moderner Rock'n'Roll eben, vorgetragen mit dem Charme struppiger Straßenköter.
Susie Reinhardt
mit The Horrors: heute, 21 Uhr, Hafenklang
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