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Damit nicht alles stehen bleibt

■ Ein Punkrockverständnis von selten gewordener politischer Ambition: Nach 13 Jahren lösen sich „Graue Zellen“ auf und bitten heute zum letzten Konzert

Man konnte in den letzten Jahren durchaus den Eindruck gewinnen, dass es um den (deutschsprachigen) Punkrock nicht gut bestellt sei. Da schien sich manche frühere AktivistIn in den Hardrock-Spielarten wohlzufühlen, die als „Punkrock“ deklariert werden mögen, indes mehr mit Werner – Volles Roäähr zu tun haben als mit EA 80; andererseits differenzierten sich die Entwürfe in immer schnellere, übellaunigere oder anderweitig gesteigerte Bindestrich-Core-Varianten aus. Autonome Jugendzentren wurden so – für immer kleinere Publikumsfraktionen – Austragungsorte musikalisch gerahmter Veganismus- und Abstinenz-, Sekten- oder eben Politverlautbarungen (in Kombination und Überlagerung).

Vor einem solchem Hintergrund haben die weit über das heimatliche Vieleck zwischen Hamburg, Kiel, Schleswig und Rendsburg hinaus umtriebigen Graue Zellen ihre Trennung bekannt gegeben. Nicht von ungefähr ist im Abschieds-„Manifest“ die Rede vom Eindruck, „zusehends zwischen die Stühle geraten“ zu sein angesichts „1000 verschiedener Ausrichtungen, Abgrenzungen und auch Vorbehalte“ (hinzuzufügen wäre vielleicht, dass das Vertrauen in die eigenen Mittel gerne schwinden darf, wenn auch Nazis drei Akkorde und fräsende Gitarren für sich beanspruchen).

Nach 13 Jahren verabschiedet sich damit eine der deutschsprachigen Punkbands, denen es gelang, ohne weitgehende Preisgabe eines explizit linken politischen Anspruches, mit dem man einst antrat, aktiv zu bleiben – und nicht ausschließlich da wahrgenommen zu werden, wo man ohnehin herkam: Von selbst organisierten Konzerten und dazugehörigen Infrastrukturen führte der Weg so zum Austeilen von informativen Textblättern, weil live doch „der Text leicht im Krach untergeht“ (Sänger Jan Jette in einem Interview). Auch wählte man in der Vergangenheit „für jede Veröffentlichung eine Kampagne, eine Organisation, die wir unterstützen wollen“ – eine aussichtsreichere Form von (Real-)Politik als die skandierte (oder gedruckt verteilte) Parole? Kein Abschied im Zorn jedenfalls spielt sich heute vor den gefälligst zahlreichen BesucherInnen des letzten (hiesigen) Graue Zellen-Konzerts ab: Die Berührungspunkte mit dem Nachkommenden bleiben ja – nicht zuletzt, weil fast alle Graue Zellen-Mitglieder anderweitig musikalisch unterwegs sind, wäre es schließlich „fatal und arschlangweilig, wenn alles stehen bleiben würde“. Alexander Diehl

mit Play Rude und DJ Plattenfräse Semigomez: heute, 21 Uhr, Rote Flora

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