: Reden statt schwitzen
■ In Bremen gibt es eine Selbsthilfegruppe für Männer in den Wechseljahren – in der ganzen Republik die einzige ihrer Art
Klimakterium. Wechseljahre. Wechsel wovon wohin? Weg von Jugend, Frische, Lebendigkeit, hin zu Falten, Schmerzen, Kukident? Nana, nicht so schnell. Dazwischen ist eine Menge Zeit, und diese Zeit erwischt jeden. Nicht nur Frauen. Dass auch Männer unter den Beschwerden leiden, die Zeichen sind für eine Umstellung des Körpers, ist wenig bekannt.
In Bremen gibt es – bundesweit einzigartig – eine Selbsthilfegruppe für Männer, die in den Wechseljahren sind. Sieben Männer treffen sich einmal im Monat – fast zu wenige für eine Selbsthilfegruppe. So wenige, dass Initiator Hans Ries schon erwogen hat, die Sache aufzugeben. Frauengruppen laufen über, Männergruppen gehen beinahe ein – warum? „Gute Frage“, sagt Hans Ries, er wisse es auch nicht. „Die stehen da nicht zu“, mutmaßt er.
Klaus Böttcher steht dazu, dass er vor einiger Zeit in Depressionen verfiel, dass seine Frau es war, die ihn auf die Selbsthilfegruppe aufmerksam machte, und dass es das Beste war, was ihm widerfahren konnte. Denn was da mit ihm passierte, das konnte Klaus Böttcher sich nicht erklären. „Sie sind halt in dem Alter, Sie sind nicht mehr der Jüngste“, habe er oft zu hören bekommen. Dass all den Symptomen, unter denen er litt, handfeste physiologische Ursachen – gewissermaßen Normalitäten – zugrunde liegen, war ihm gar nicht klar.
Angst. „Ich habe immer Angst gehabt, dass ich meine Arbeit nicht mehr schaffe“, erzählt Hans Ries. Unruhig sei er zur Arbeit gefahren. Dann das dauernde Schwitzen. „Ich brauchte einfach irgendwo Halt, Gespräch“, so der 54-Jährige. Mit Gleichen. „Unter Männern kann man anders reden.“ Und zwar über alles, „auch über Sachen, über die man mit Frauen nicht reden kann.“ Woher das kommt, dass man sich oft so phlegmatisch, ohne Lust, depressiv fühlt. Hans Ries hat die Gruppe vor einem halben Jahr unter Anleitung vom Netzwerk Selbsthilfe gegründet. Dazu gehören nun Unternehmer, Lehrer, Angestellte – alle zwischen 50 und 60 Jahre alt.
Über Probleme zu sprechen, zu merken, man ist damit nicht alleine, und daraus Kraft und Trost zu schöpfen, ist nur ein Aspekt der Gruppe. Zugleich versuchen sie mehr Informationen über das „Klimakterium virile“, die Wechseljahre des Mannes, herauszufinden. So hat Klaus Böttcher jetzt zusammengestellt, wo Männer in Bremen eine Hormonspiegeluntersuchung, die Aufschluss über Ursachen für Beschwerden gibt, vornehmen lassen können.
Männer und Freundschaften, „das ist ja auch so eine Sache“, sinniert Hans Ries und glaubt, „Frauen haben's leichter“. Viele täten sich schwer, wenn's darum gehe, „dass jemand da ist, wenn man mal richtig in Not ist.“ Die Männergruppe scheint dieses Schwertun inzwischen überwunden zu haben. Hans Ries: „Jetzt sind wir so weit, dass wir füreinander Gewehr bei Fuß stehen.“
sgi
Kontakt über Clemens Müller vom Netzwerk Selbsthilfe, % 49 88 634. Mehr Infos zum Thema „Klimakterium virile“ unter www.wechseljahredesmannes.deTel. : .
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