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Peking soll nicht Seoul sein

Der harmonische Verlauf des IOC-Besuchs in Peking täuscht über die Probleme der chinesischen Olympiabewerbung hinweg: Das Beharren auf Gulag-Praktiken verstärkt die Kritik

aus Peking GEORG BLUME

Schattenboxer, Rollerblader und eine Frau, die einen Dalmatiner spazieren führt: So sentimental cool wie im Olympia-Werbefilm von Zhang Yimou war Peking noch nie. Mit den Bildern des chinesischen Starregisseurs endete am Samstag das viertägige Besuchsprogramm von 17 Inspektoren des Internationalen Olympischen Komitees (IOC), die herausfinden sollten, ob Peking fit für Olympia im Jahr 2008 ist. Und natürlich war es das. Der Vorsitzende des Prüfteams, Hein Verbruggen, zeigte sich nach dem Besuch „höchst beeindruckt von der Professionalität des Pekinger Bewerbungskomitees und dem Niveau der Präsentation.“

Vier Tage lang waren die siebzehn Olympia-Inspektoren durch eine Hauptstadt kutschiert worden, wie sie kein Pekinger kennt: Freie Straßen, grüne Ampeln und sauber gekehrte Gehwege begleiteten das IOC-Team zu jeder Sportplatzvisite, wo sie stets von einer jubelnden Bevölkerung begrüßt wurden. „Wir haben allgemein große Begeisterung vorgefunden“, berichtete Verbruggen brav. Tatsächlich trauen sich derzeit nicht einmal die gewöhnlich widerborstigen Pekinger Taxifahrer, auf die Spiele zu schimpfen. Die Regierung hat sie eigens angehalten, schon jetzt für Olympia Englisch zu lernen.

Doch dürfte der dem Schein nach glatt verlaufene IOC-Besuch in Peking die Olympia-Bewerbung der Stadt kaum weitergebracht haben. Worum es wirklich geht, zeigte eine fast beiläufige „logistische“ Empfehlung der Gäste: Derzufolge sollen die Wettbewerbe Beach- und Volleyball nicht – wie von den jeweiligen internationalen Sportvereinigungen und den Chinesen vorgeschlagen – auf dem Platz des Himmlischen Friedens abgehalten werden. Nicht einmal IOC-Funktionäre wollen der Pekinger Führung dabei behilflich sein, den Tiananmen symbolisch vom Blut der niedergeschlagenen Studentenrevolte reinzuwaschen.

Der politische Streit um Olympia in Peking aber hat gerade erst begonnen – und anders als in Fragen der Verkehrskontrolle und des Umweltschutzes, wo sich Peking ganz nach Sydney richten will, kennt die KP hier kein Pardon. Zum Beweis dafür ließ die Regierung noch während des IOC-Besuches die Frau eines Dissidenten für zwei Jahre ohne Prozess ins Arbeitslager sperren. Sie hatte es gewagt, den anreisenden IOC-Mitgliedern einen Brief zu schreiben. Von Anfang an möchte Peking Regimegegner abschrecken, die Olympia als Gelegenheit für Proteste verstehen könnten. Schließlich weiß die KP-Führung nur zu gut, wohin die südkoreanischen Studentenproteste im Vorfeld der Olympischen Spiele 1988 in Seoul führten.

Doch ihr ängstliches Beharren auf Gulag-Praktiken könnte Pekings Olympia-Bewerbung in den Wochen bis zur IOC-Abstimmung am 13. Juli zu Fall bringen. Schon wird im Washingtoner Kongress ein Antrag auf Ablehnung der Spiele in Peking diskutiert. Spricht sich eine Mehrheit amerikanischer Abgeordneter gegen Olympia in China aus, droht ein Boykott der USA, der für die Spiele wirtschaftlich verheerende Konsequenzen hätte. Das IOC wird ein solches Risiko in jedem Fall vermeiden wollen. Im Fall einer Absage an Peking begänne in China eine zweite Propaganda-Kampagne, neben der das jetzige Werben um Olympia harmlos erscheinen wird: Denn die chinesische Führung dichtet dieser Tage ein Recht der Chinesen auf Olympia herbei. Schon wurde ausländischen Korrespondenten in Peking angedeutet, dass sie für ein Scheitern der Olympia-Bewerbung mitverantwortlich gemacht würden.

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