nebensachen aus brüssel: Erfahrungen mit Sabena
Klammheimliche Freude
Zugegeben: Als ich Anfang Februar las, dass Sabena kurz vor der Pleite steht, konnte ich mich eines Gefühls klammheimlicher Freude nicht erwehren. Ja, ich habe ihr am Nikolaustag den Konkurs gewünscht. Aber wer rechnet schon damit, seine Hassfantasien Wirklichkeit werden zu sehen? Schließlich geht es um 11.000 Arbeitsplätze. Da hört der Spaß auf.
Als ich am 6. Dezember in Brüssel am Schalter stand und der Sabena-Mitarbeiter sich weigerte, mir für das zwei Monate zuvor gekaufte Economy-Ticket eine Bordkarte zu geben, glaubte ich zunächst an ein Computerproblem. Schließlich war ich extra früh gekommen, eineinhalb Stunden vor dem Start von SN 3621 Brüssel–Nizza.
Jedes Kind weiß, dass Sabena alle Flüge gnadenlos überbucht. Noch nicht überall herumgesprochen hat sich aber ein anderer Trick: Erweist sich ein als Touristenbomber eingeplanter Nizza-Flug zur allgemeinen Überraschung als eben die Maschine, mit der ein paar hundert EU-Diplomaten den Jahrhundert-Gipfel zu erreichen hoffen, werden in letzter Minute per Mausklick ein paar Reihen Economy in Business umgewandelt. Und die treuen Sabena-Kunden, die in Panik den Schalter umdrängen, sehen einen verwirrten Mitarbeiter auf den Bildschirm starren und murmeln: „Komisch, jetzt hat er plötzlich viel mehr Business-Plätze als vorhin ...“
In letzter Minute stellt sich heraus, dass noch zwei weitere Business-Plätze gebraucht werden. Die Kommissare Günter Verheugen und Loyola de Palacio werden am staunenden Fußvolk vorbeigewunken. Zwölf angespannte Menschen stehen noch am Schalter. Der Sabena-Angestellte greift blind nach zwei Tickets. Überflüssig zu sagen, dass meines dabei ist.
Das ist der Augenblick, wo ich Sabena den Konkurs an den Hals gewünscht habe. In der Nacht hatte ich reichlich Zeit, mir diesen Wuttraum auszumalen. Ich nahm mir dann gleich noch Swiss-Air vor. Denn die flogen mich am selben Abend mit Verspätung nach Zürich. Dort verpasste ich den letzten Flieger nach Nizza und kam erst am nächsten Morgen zu Chirac.
Am Freitag hat die Schweizer SAir-Gruppe, der Swiss-Air und fast die Hälfte von Sabena gehört, eine Kapitalspritze für den belgischen Carrier beschlossen. Kenner sehen darin eher eine Galgenfrist. Sabena hätte lieber Verheugen in Brüssel stehen lassen sollen. Der kann vielleicht nicht so gut fluchen wie ich. DANIELA WEINGÄRTNER
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