: Gänsehaut erzeugen wie Bonnie
Mit vorgehaltener Knarre: P. J. Harvey stellt heute im Docks ihr jüngstes Album vor ■ Von Barbara Schulz
“Look out ahead/I see danger come/I wanna pistol/I wanna gun/I'm scared baby/I wanna run/This world's crazy/Give me the gun.“ Das klingt wie die Filmmusik zu einer modernen Fassung von Bonnie & Clyde. Mit diesen Worten beginnt Stories From the City, Stories From the Sea, das im vergangenen Herbst erschienene, sechste Album der Musikerin Polly Jean Harvey aus Dorset/Großbritannien.
Und der Titel des Albums ist Programm. Bevor sie die Platte aufnahm, lebte sie für ein paar Monate in New York, um sich inspirieren zu lassen und mal nicht durch heimatliche Moore, sondern hohe Häuserschluchten stapfen zu können. Die wilde Intensität auf diesem Werk erinnert an ihr erfolgreiches 1991er Debut Dry, welches damals sowohl durch den Hit „Dress“ als auch wegen seiner Gestaltung für Aufruhr sorgte. Denn Harvey traute sich, auf der Cover-Rückseite ihren nackten Oberkörper zu präsentieren. Das waren noch verklemmte Zeiten!
Bereits damals vereinte Polly Jean Harvey ihre Musik und ihren Körper ganz bewusst zu einem eigenwilligen Gesamtkunstwerk zwischen Selbstfindung und Hingabe, Wut und Blut, Liebe, Lust und Qual. Inzwischen trägt Harvey statt Fetischfummeln und Blümchenkleidern lieber noble Designer-Roben und Sonnenbrillen, aber noch immer am liebs-ten die Farbe Schwarz. Dazu passt der Sound des aktuellen Albums, welches ruhige besinnliche Klänge neben gewohnt aggressive Töne stellt, Harveys Stimme stellenweise noch mehr an Patti Smith gemahnen lässt als früher und insgesamt geschlossener, glamouröser und verdammt sexy klingt.
So bringt sie ihre ZuhörerInnen dazu, wie Kerstin Grether es in einem Artikel zu P. J. Harvey ausdrückte, „ebenfalls stolz und glücklich durch Straßen zu laufen und mit weit ausholenden Gesten seinen Frieden mit der Welt in eben diese hinausschreien zu wollen – bis sich wieder ein Grundton der Aggressivität dazugesellt“. So kann man sich Harvey tatsächlich prima als Bonnie vorstellen, die gut angezogen und mit vorgehaltener Knarre durch die Großstadt streift, aber auch stundenlang in irgendwelchen muffeligen Cafés herumsitzt und Löcher in die Luft starrt.
Harvey, die auch Gedichte schreibt – bisher ist allerdings keins einziges veröffentlicht worden –, hat sich auch schon als Schauspielerin bei ihrem guten Freund, dem us-amerikanischen Regisseur Hal Hartley in dem Film The book of life versucht. Außerdem hat sie das Debut-Album der amerikanischen Singer-Songwriterin Tiffany Anders produziert. Und wie sie sich geäußert hat, würde sie so etwas gern wieder machen. Doch dafür hat sie keine Zeit.
Gerade ist sie auf Europa-Tournee und hat neben Mick Harvey (noch bekannt als Mitmusiker von Nick Cave, mit dem Harvey auch schon zusammen gesungen hat) und Rob Ellis, mit denen sie ihre Platte eingespielt hat, auch Margaret Fiedler, eine Hälfte des Duos Laika, an der Gitarre dabei.
Und ab April wird Polly Jean Harvey dann das große Geld scheffeln: Dann begleitet sie nämlich die gruseligen Herren von U2 auf USA-Tour. Hoffentlich kehrt sie danach wieder in die heimischen Moore zurück und schreibt einen weiteren Hit wie „This mess we're in“, den sie für Thom Yorke, das schüchterne Mastermind hinter Radiohead, schrieb und so wundervoll gänsehauterzeugend mit ihm zusammen singt ...
heute, 19 Uhr, Docks
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