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Vorsprung als Problem

Die Handballer des SC Magdeburg verlieren zwar in eigener Halle mit 23:26 gegen den TBV Lemgo, sind darüber aber kaum verärgert, weil sie dennoch im Halbfinale des EHF-Cups stehen

aus Magdeburg FRANK KETTERER

Eine richtige Niederlage war das irgendwie nicht am Samstag in der Bördelandhalle zu Magdeburg. Nicht für die SC-Spieler, nicht für den SC-Trainer – und selbst für die SC-Fans nicht, die sonst schon mal durchaus lautstark ihr Missfallen kundtun. Diesmal aber brachten die rund 5.400 Zuschauer in der Halle ganz offensichtlich eine gute Portion Verständnis auf für das, was ihnen da handballerisch gerade geboten worden war. Den Schlusspfiff und mithin die 23:26-Niederlage gegen den TBV Lemgo nahmen die Handballfreunde aus Magdeburg jedenfalls eher gleichmütig hin: Sie erhoben sich von ihren Plätzen, zogen ihre Jacken an und gingen einfach nach Hause. Ohne Murren und ohne Pfiffe.

Es war ja auch nichts passiert, nicht wirklich und nichts Schlimmes jedenfalls, weil der SC Magdeburg doch schon das Hinspiel gewonnen hatte in Lemgo, und zwar derart deutlich, mit 28:22 nämlich, dass es da kaum noch wirklich Zweifel hatte geben können am Einzug ins Halbfinale des EHF-Cups. „Das Problem war“, sprach später entsprechend Steffen Stiebler, „dass wir das Sechs-Tore-Polster hatten“, was ziemlich genau des Pudels Kern traf – und für die Spielentwicklung kaum förderlich war: Magdeburg spielte wie eine Mannschaft, die bereits gewonnen, Lemgo wie ein Team, das schon verloren hatte. Heraus kam eine wenig berauschende Partie, die, zumindest aus Magdeburger Sicht, in der zweiten Halbzeit noch trostloser wurde, schon weil die Einheimischen Durchgang eins mit 10:7 beendet und somit ihren Gesamt-Vorsprung auf verhängnisvolle neun Tore ausgebaut hatten.

„In der Halbzeit haben zu viele meiner Spieler gesagt: Jetzt ist es endgültig gelaufen“, musste hernach auch SC-Trainer Alfred Gislason bekennen, richtig ärgern konnte freilich auch er sich darüber nicht. Zumal der Isländer selbst schon bei der Aufstellung einen Fingerzeig gegeben hatte, wie ernst es den Magdeburgern diesmal wirklich war: Der Franzose Kervadec, immerhin amtierender Weltmeister und im Hinspiel mit sechs Toren Sieggarant, fehlte am Samstag, offiziell wegen einer Verletzung, inoffiziell, weil man ihn schlichtweg schonen wollte für die kommenden Wochen.

Was irgendwie ja auch wieder verständlich ist, weil die nächste Zukunft heftig werden wird für die Handballer des SC und somit rechtzeitig Kräfte gespart werden müssen für jene Spiele, in denen es wirklich noch um etwas geht. „Wir sind der einzige Bundesligaverein, der noch auf drei Hochzeiten tanzt“, sagt Manager Bernd-Uwe Hildebrandt nicht ganz ohne Stolz, nämlich bei Meisterschaft (wo die Magdeburger derzeit auf Rang zwei geführt werden), DHB-Pokal und eben EHF-Cup. Es könnte also ein ertragreiches Jahr werden für die Magdeburger, prinzipiell bereit zu großen Taten scheinen sie ohnehin. Manager Hildebrandt jedenfalls macht erst gar keinen Hehl daraus, dass man von vornherein das EHF-Cup-Finale angestrebt habe, auch wenn er die halbe Million, die dadurch wohl in die Kasse gespült würde, vorsorglich und „aus Seriositätsgründen“ natürlich (noch) nicht ver- oder eingeplant hat.

Beruhigende Wirkung aber könnte all das schöne Geld schon ausstrahlen, vor allem auf die Fans. Bei denen geht ganz offenbar die Angst um, die Mannschaft könnte nach der Runde auseinander- und somit die Erfolge wegbrechen. Gestützt wird diese dunkle Ahnung maßgeblich durch den Wechsel von Nationalmannschafts-Torhüter Henning Fritz, einem SC-Eigengewächs, zum THW Kiel, und durch die Abgänge von Wassili Kudinow (zu Honda Kumamoto) und Michael Jahns (TV Großwallstadt), beide im linken Rückraum tätig. Manager Hildebrandt sieht die Dinge freilich und naturgemäß weit weniger dramatisch, schon weil er nach wie vor der felsenfesten Überzeugung ist, einen wasserdichten Vertrag mit Nenad Perunicic, dem Weltklassemann vom THW Kiel, in der Tasche zu haben, und auch die Verhandlungen mit einem Keeper kurz vor dem Abschluss stünden. Selbst die Meldung des Branchenfachblatts Handball-Magazin, nach der Stefan Kretzschmar bei Champions-League-Sieger CF Barcelona auf der Wunschliste stehe, entlockt dem SC-Manager derzeit nur ein müdes Lächeln. „Die wollen ihn, aber die kriegen ihn nicht“, sagt er dann.

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