: Der VfB ist noch da
Mit seinem neuen Trainer Felix Magath gewinnt Stuttgart gegen Wolfsburg mit 2:1 und hält die Hoffnung am Leben
STUTTGART taz ■ Es sind vielleicht die Kleinigkeiten und sogar Nichtigkeiten, an denen man festmachen kann, wie unterschiedlich Trainer arbeiten und ihr Personal arbeiten lassen. Für Jochen Seitz jedenfalls drückt sich der Wechsel beim VfB Stuttgart von Ralf Rangnick zu Felix Magath nicht etwa im früheren Trainingsbeginn oder in der veränderten Aufstellung aus. Nein. Seitz ist Zeugwart beim Verein für Bewegungspiele, zuständiger Sachbearbeiter für Trainingsklamotten, also Herr über den Waschmittelverbrauch. Magath hat der Aufgabe des Zeugwarts offenbar wieder richtiggehend Sinn verliehen. Seitz sagt, motiviert bis in die Wäschetrommeln: „Jetzt lohnt es sich wieder, die Trainingsklamotten zu waschen, sie sind jetzt wieder nass und dreckig.“
Alles wie gehabt also bei Felix Magath. Der „letzte Diktator Europas“ (sein ehemaliger Spieler Bachirou Salou) geht beim VfB Stuttgart die ihm aufgetragene Mission mit den gleichen Mitteln an, die er auch schon bei den bisherigen Arbeitsstätten Hamburg, Nürnberg, Bremen und Frankfurt verwendet hatte, um folgender Stellenbeschreibung gerecht zu werden: Retten Sie uns vor dem Abstieg! Zugegeben: Magath hatte mit seinem mittelalterlichen Diktum, Qualität leite sich von Qual ab, stets kurzfristigen Erfolg. Und auch mit dem VfB Stuttgart ist er der Erfüllung seines Auftrags ein Stück näher gerückt: Nach dem 2:1 gegen den VfL Wolfsburg rangieren die Schwaben zwar immer noch auf Tabellenplatz 17, sie haben allerdings vermieden, was Torsteher Timo Hildebrand errechnete: „Mit einer Niederlage wären wir weg gewesen.“ Nicht theoretisch, aber praktisch abgestiegen.
Magath arbeitet beim VfB nach dem Motto: Mache so ziemlich alles anders als dein Vorgänger. Schon zu Beginn seines Nacht-und-Nebel-Engagements hatte er einen Schwerpunktwechsel angekündigt: Weil Rangnick viel im taktischen Bereich gearbeitet habe, könne man den demnach vernachlässigen. Und in der Tat bot Magath gegen Wolfsburg Spieler mit eher rustikalem Format auf. „Abstiegskampf kann nicht schön sein“, sagte Manager Rolf Rüssmann und verbannte jeden Anflug von Fußballästhetik bis zum Saisonende auf die Tribüne.
Dass der Klassenverbleib fortan erkämpft und nicht erspielt wird, ist nicht die einzige Neuerung unter Magath. Plötzlich tauchen Gesichter auf, die entweder fast schon transferiert waren (Djordjevic) oder die man nur „vom Grüßen auf dem Flur kannte“ (Rüssmann über Jens Todt). „Neue Gesichter tun der Mannschaft gut“, hat Rüssmann vernommen.
Auch an der Hierarchie hat Magath gebastelt: Es ist die neue alte Hierarchie. Soldo und Balakow sind Magaths Sprachrohre auf dem Platz. Ausgerechnet Balakow. Rangnick hat versucht, dem Bulgaren die Privilegien zu nehmen, um mit Kräften wie Thiam, Hildebrand oder Bordon den Neuaufbau zu bewerkstelligen. Gescheitert. Jetzt darf Balakow wieder den Spielmacher im alten 3-5-2-Bundesligasystem geben, unterstützt von zwei zentralen Defensivkräften (Meissner und Thiam), ohne Verpflichtungen seinen verteidigenden Hintermännern gegenüber. Das ist in gewisser Weise reaktionär, weil Balakow die Vergangenheit ist, nicht aber die Zukunft in Stuttgart. Bezeichnend, dass er gegen Wolfsburg selbst nach schneller Führung durch Adhemar nicht im Stande war, diese Freiheiten zu nutzen und das Spiel zu diktieren.
Aber, beteuert Magath, im Abstiegskampf ist sowieso alles anders: Die ersten Siege würden ohnehin „immer erzittert“, sagt der Abstiegskampferfahrene. Da kämen schnelle Tore „zu früh“, weil wegen der allgemeinen Verunsicherung gleich die „Angst vor der Niederlage“ ins Spiel komme. „Die schnelle Führung hat uns nicht frei gemacht, sondern belastet“, sagte Magath. Das sind die Probleme, mit denen sich der VfB derzeit beschäftigen will. Und nicht mit der mangelnden Zukunftsfähigkeit des Krassimir Balakow. Schließlich kann sich der VfB auch die Diskussion über den zu hohen Waschmittelverbrauch bei 30 Millionen Mark Schulden erst wieder in der nächsten Saison leisten.
THILO KNOTT
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