: Nationalisten scheren aus
Die kroatischen Hardliner in Bosnien votieren für eine Dreiteilung von Bosnien und Herzegowina. Die Internationale Gemeinschaft sieht dadurch Dayton verletzt
SPLIT taz ■ Fast 600 Delegierte der nationalistischen bosnisch-kroatischen Parteien forderten am vergangenen Samstag in Mostar die Dreiteilung Bosnien und Herzegowinas und damit die Auflösung der bosniakisch-kroatischen Föderation. In einer Resolution forderten die Delegierten der „kroatischen Nationalversammlung“ die Schaffung eines eigenen Parlaments, einer eigenen Regierung und eines eigenen Präsidenten. Nach Ansicht der Internationalen Gemeinschaft verstößt diese Forderung gegen das Abkommen von Dayton. Der Hohe Repräsentant der Internationalen Gemeinschaft, Wolfgang Petritsch, forderte die kroatischen Nationalisten auf, die legalen Institutionen Bosniens und Herzegowinas zu respektieren.
Mit der Versammlung in Mostar ist der vorläufige Höhepunkt in der Auseinandersetzung zwischen bosnisch-kroatischen Nationalisten und der Internationalen Gemeinschaft erreicht. Die kroatische Nationalpartei HDZ sieht die Rechte der Kroaten seit dem Abkommen von Dayton geschmälert. Damals wurde Bosnien und Herzegowina nach einem dreijährigen Krieg in zwei so genannte Entitäten aufgeteilt: die Republika Srpska mit 49 Prozent und die bosniakisch-kroatische Föderation mit 51 Prozent des Territoriums der ehemaligen jugoslawischen Republik Bosnien-Herzegowina. Beide bilden seither gemeinsam den Gesamtstaat Bosnien und Herzegowina.
Mit der Republika Srpska hätten die Serben ihr Kriegsziel erreicht, die Kroaten müssten jedoch zusammen mit den Bosniaken (Muslimen) einen Staat bilden, lautete der Vorwurf. Doch solange es der HDZ gelang, den 1992, also im Krieg gegründeten kroatisch-bosnischen Teilstaat Herceg-Bosna, der während des Krieges alle von Kroaten kontrollierten Gebiete Bosniens und Herzegowinas umfasste, trotz seiner nominellen Auflösung am Leben zu erhalten, solange blieb der jetzt offenbare Konflikt im Hintergrund. Faktisch war nämlich auch nach Dayton die bosniakisch-kroatische Föderation in zwei Machtbereiche aufgeteilt, in einen bosniakischen (muslimischen) und einen kroatischen.
Mit dem Machtwechsel in Zagreb im Januar 2000 begann jedoch eine neue Zeitrechnung. Mit der neuen Regierung wurden die finanziellen Zuwendungen, wie von den internationalen Institutionen gefordert, für die bosnischen Kroaten aus Zagreb gekappt, die Mittel für die bislang weiterbestehende Armee HVO und die Polizeikräfte zusammengestrichen.
Die Machtstruktur der bosnisch-kroatischen Extremisten geriet an den Rand des Kollapses. Und als der kroatische Präsident Stipe Mesić die Kroaten Bosniens auch noch aufforderte, innerhalb der legalen Strukturen des Nach-Dayton-Staats mitzuarbeiten, regte sich erster Widerstand gegen Zagreb. Lediglich viele nicht nationalistisch ausgerichtete Kroaten Zentralbosniens, die von der Kirche, wie dem Kardinal Vinko Puljić und den Franziskanern Sarajevos, unterstützt wurden, akzeptieren die legale Struktur des Staates nach Dayton. Nicht jedoch die Politiker der HDZ, die in der Westherzegowina und damit in Westmostar ihre Machtbasis haben.
Mit den allgemeinen Wahlen im Herbst letzten Jahres, die zu nicht-nationalistischen Mehrheiten in den Parlamenten des Gesamtstaats und der Föderation führten, verloren auch die kroatischen Nationalisten an Rückhalt. Wenngleich noch die Mehrheit der Kroaten Bosniens repräsentierend, traf die von dem Hohen Repräsentanten Wolfgang Petritisch geförderte Politik, die Macht der Nationalisten aller Bevölkerungsgruppen zurückzudrängen, auch den ökonomischen Nerv der Nationalisten. Im Januar zog die HDZ ihre Abgeordneten aus den Parlamenten zurück und ging auf Konfrontationskurs. Jetzt fordert die Partei ihren Teilstaat zurück.
Die Tür für Verhandlungen ist zwar offengeblieben, den internationalen Truppen jedoch ist es bei einer Verschärfung des Konflikts erlaubt, in Abstimmung mit Petritsch gegen die führenden Köpfe der HDZ vorzugehen. Entlassungen aus politischen Ämtern oder gar Verhaftungen sind Insiderinformationen zufolge nicht ausgeschlossen.ERICH RATHFELDER
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