: Brüssel will Nachschlag aus Bremen
■ Bremen hat bei der Meldung von FFH-Naturschutzgebieten nicht alle Karten auf den Tisch gelegt, vermuten Beamte der Europäischen Union. Aber der Senat will hart bleiben und das Hollerland nicht ausweisen
Unangenehme Post aus Brüssel: Die EU-Behörden haben Zweifel an Bremens Meldepraxis von FFH-Naturschutzgebieten. Die Generaldirektion Umwelt der Europäischen Kommission mahnte kürzlich in einem Schreiben an das Bundesumweltministerium eine vollständige Meldung aller in Frage kommenden Naturschutzgebiete für das europäische Naturschutzprogramm „Flora-Fauna-Habitat“ (FFH) an. Einige Länder haben noch keine kompletten Unterlagen eingereicht, andere einen zu geringen Teil ihrer Landesfläche ausgewiesen. In Bremen bezweifeln die Brüsseler Beamten, dass alle aufgrund ihrer Charakteristika meldepflichtigen Gebiete auch in Brüssel angezeigt wurden – mit gutem Grund.
Bausenatorin Christine Wischer (SPD) hat es immer gewusst: Das auch unter Vogelschutz stehende Hollerland ist aufgrund seiner außergewöhnlichen Flora und Fauna dafür qualifiziert, in das FFH-Programm aufgenommen zu werden. Das schloss sie aus den eigens angefertigten drei Gutachten – das Hollerland gilt als das bestbegutachtete Naturschutzgebiet des Landes. Aber mit ihrer Fachposition konnte Wischer sich seinerzeit nicht im Senat durchsetzen. Aufgrund wirtschaftspolitischer Interessen entschied der Senat vor einem Jahr, das Hollerland – ebenso wie den Weddewardener Außendeich – bei der Meldung der FFH-Gebiete nicht anzugeben.
Damit ersparte der Senat der CDU ein zusätzliche rechtliche Hürde bei ihrem Ziel, den Technologiepark nach Norden in das umstrittene Naturschutzgebiet hinein zu erweitern. Im politischen Ringen einigte sich die Koalition aber doch auf die Süd-Erweiterung in die Kleingartengebiete hinein.
Nun wird der Brief aus Brüssel eine neuerliche Befassung des Senats mit dem Zankapfel notwendig machen. Die EU-Naturschützer wandten sich an das Umweltbundesamt mit der Erwartung, dass es in den zweifelhaft erscheinenden Ländern zu „substanziellen Nachmeldungen“ komme. Sie öffnen damit ein Hintertürchen für säumige Anmelder, bisher unterschlagene Gebiete nachzureichen. Mit einem erneuten Verweis auf Struktur- und Agrarfördermaßnahmen verleihen die EU-Beamten ihrer Forderung Nachdruck –im schlimmsten Falle könnten sie veranlassen, dass Fördermittel für einzelne Länder zurückgehalten werden.
Am liebsten hätten sie eine summarische Garantie des Bundes dafür, dass die Länder ihrer Meldeverpflichtung nachgekommen sind. Aber da haben sie die Rechnung ohne den deutschen Föderalismus gemacht: Zwar hatte das Bundesamt für Naturschutz im vergangenen Jahr einen „Defizitbericht“ über die Meldesituation im Land Bremen angefertigt, in dem unter anderem das Hollerland bei den „Anregungen für zusätzliche Gebietsmeldungen“ auftaucht. Eine Naturschutz-Fachaufsicht über die Länder weist das Bundesamt dagegen von sich. Stattdessen hat die Behörde das Ansinnen der Brüsseler an die betroffenen Länder weitergeleitet. Bremen wird gebeten, „die Vollständigkeit der Gebietsmeldung erneut zu überprüfen.
„Wir sind nach einem hochwissenschaftlich begleiteten gutachterlichen Verfahren zu einer fachlich begründeten Entscheidung gekommen“, bekräftigt Sprecher Klaus Schloesser den Standpunkt des Senats. Das werde man Brüssel noch einmal mitteilen.
Aber Umwelt-Senatorin Christine Wischer bleibt bei ihrer Haltung: „Ich halte die Senats-Entscheidung fachlich für falsch.“ Damit könnte sie den Anstoß geben, dass die Europäische Kommission eigene Sachverständige hinzuzieht. „Die EU bei der FFH-Meldung hintergehen zu wollen, erweist sich als Bumerang“, vermutet BUND-Sprecher Martin Rode. Man könne nicht „einerseits bei der EU die Hand aufhalten und andererseits EU-Recht bewusst missachten.“
Jan Kahlcke
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