: In einem fernen Land
■ Tanz Bremen 1: Das Essener Folkwang Tanzstudio gastierte in Bremerhaven
Nichts erinnerte anfangs an einen Tanz. Totale Finsternis beherrschte die Szene. Monotone Trommelschläge und fremdartiger Gesang der TänzerInnen entführten die ZuschauerInnen in ferne Landen weitab jeglicher Zivilisation. Dann wird die Bühne langsam ausgeleuchtet, und ein junger Mann beginnt zu tanzen. Ruckartig bäumt er sich auf und entlädt in kurzen Abständen seine Energien im immer gleichen Tanzmotiv.
Mit „Itambè“ hat sich das Bremerhavener Theater am Fischereihafen (TiF) eine außergewöhnliche Performance ins Haus geholt. 1999 wurde das Stück vom Folkwang Tanzstudio bei den Ruhrfestspielen in Recklinghausen uraufgeführt. Für Leiterin Henrietta Horn ist es die erste selbsterarbeitete Choreografie. Ekstase, Mythos, Religion und Ritual sind die Schwerpunkte, die dem Stück zugrunde liegen.
Das elfköpfige internationale Ensemble tanzte sich bei „Itambè“ buchstäblich die Seele aus dem Leib. Durch bacchantische Bewegungen, die fast ins Krankhafte, Verrückte abglitten, gelang den TänzerInnen, das Urtier im Menschen heraufzubeschwören. „Itambè“, eine Wortschöpfung der Choreografin, bedeutet „Reiner Tanz“ und kommt aus dem brasilianisch-indianischen.
Alles erinnert an einen Befreiungsakt, an ein tänzerisches Gebrüll, das sich ins Hysterische steigert. Horn kam es nicht darauf an, eine greifbare Geschichte zu erzählen, sondern Extreme und Gegensätze der menschlichen Psyche mit dem Körper auszudrücken. Schon das karge schwarze Bühnenbild, die schwache Beleuchtung, die rhythmusbetonte Musik und die zurückhaltende Bekleidung hoben sich radikal von der Ausdruckskraft der Darsteller ab. Von Solo über Duett und Quartett bis hin zur ganzen Gruppe lag der Tanz eine Stunde lang im Fluss. Mal waren die Bewegungen langsam und ruhig, dann wieder zuckend und bis zur Ekstase beschleunigt. Jedoch immer im Einklang mit dem Rhythmus der Musik.
Man konnte sich dem eigenartigen Zauber gar nicht entziehen. Gebannt und still verfolgten die Zuschauer die überwältigende Vorstellung. Am Ende gab es einen Riesenapplaus und Bravorufe. Fast ekstatisch. Maria Hufenreuter
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