Britische Bösartigkeit

■ Nach Jahrzehnten wieder im Kino: Der für das Genre des film noir stilprägende „Get Carter“ mit Michael Caine

Jetzt ist er ein gefeierter und oscarprämierter Charakterdarsteller, und in dem gerade anlaufenden „Quills“ gibt er einen strengen Anstaltsleiter. Aber in seinen jungen Jahren war Michael Caine so heiß begehrt wie heute Brad Pitt. In drei Spionagethrillern spielte er die gar nicht schlechte James Bond-Kopie Harry Palmer nach den Romanen von Len Deighton, und 1971 war er schließlich in der Rolle zu sehen, mit der man ihn in Großbritannien immernoch identifiziert: Michael Caine war Jack Carter, und mit dem war nicht gut Kirschenessen.

Der coole, zynische und gewissenlose Gangster reist zum Beginn des Films von London in seine Heimatstadt Newcastle zur Beerdigung seines Bruders und räumt die lokale Unterwelt bald gründlich auf, weil er dessen Tod rächen will. Nicht nur der Plot erinnert an den tiefschwarzen Avantgardethriller „Point Blank“, den der Brite John Boorman 1967 mit Lee Marvin in Hollywood gedreht hatte: beide Filme sind inhaltlich und stilistisch ähnlich kompromisslos, vital und ohne moralisches Zentrum. Carter ist genauso boshaft und brutal wie die Schläger, Zuhälter und Gangsterbosse, die er nacheinander weg einsackt. Das Publikum ist auf seiner Seite, weil er cool, gewitzt und schlagkräftig ist, aber ganz wohl ist uns dabei nicht, und mit dieser Ambivalence des Zuschauers arbeitete der Regisseur Mike Hodges (der danach auf das Niveau von „Flash Gordon“ absank) sehr geschickt.

Britische Filme wie „Trainspotting“, „Stormy Monday“ oder „Gangster No.1“ hätte es so ohne „Get Carter“ nicht gegeben, und er ist gut gealtert: Solche Sprüche wie „Weißt Du, ich hatte fast vergessen, wie deine Augen aussehen. Immernoch das Gleiche. Pinkellöcher im Schnee!“ sind zeitlos. Demächst belästigt uns Hollywood übrigens mit einem Remake. Sylvester Stallone spielt dort den Jack Carter, Michael Caine hat wie üblich einen Gastauftritt. Schauen Sie sich schnell lieber noch das Original an.

Wilfried Hippen

spätabends im Cinema