Filmstarts à la carte
: Dante in Finnland

■ Den Kultstatus seines Bruders Aki hat Mika Kaurismäki nie erlangt. Vielleicht, weil er im Gegensatz zum Bruder - der sich in der Öffentlichkeit stets gern das Image des trinkfreudigen Exzentrikers gab -als Person lieber im Hintergrund bleibt, vielleicht aber auch, weil seinen Filmen jene lakonische Brillanz fehlt, mit der Aki lange Zeit reüssierte. Dabei sind die ein wenig konventioneller inszenierten Filme Mikas von ähnlichen Themen und Dingen geprägt wie das Werk des Bruders: Einsamkeit, melancholische Musik, karge Landschaften, amerikanische Straßenkreuzer, zufällige Begegnungen. Immer wieder machen sich die Figuren auf die Suche - ohne so recht zu wissen, wonach und wozu überhaupt. „Rosso“ (Reise in die Finsternis, 1985) erzählt von einem müden sizilianischen Auftragskiller, der in Finnland seine Ex-Freundin ermorden soll. Mit deren Bruder Martti begibt er sich alsbald auf eine Reise durch das karge, kalte Land, das Kaurismäki vorzugsweise im fahlen Licht der Morgen- oder Abenddämmerung filmt. Sprachlich verständigen können sich die beiden nicht, trotzdem kommen sie sich bei ihren Fahrten durch gemeinsames Singen, Fußball spielen auf dem Parkplatz und einen kleinen Raubüberfall langsam näher. Es passiert nicht gerade allzu viel, und die wenigen undramatischen Handlungen werden angetrieben von einem Off-Kommentar, den wahlweise Bruder Aki oder Dante Alighieri verfasst haben. Wobei man die „Göttliche Komödie“ des Letzteren ja durchaus als Vorlage für ein Roadmovie gelten lassen kann. Eine Mika-Kaurismäki-Retrospektive zeigt das Filmmuseum Potsdam noch bis zum 18. März; am 15. März wird der Regisseur dort selbst einen Vortrag halten.

„Rosso - Reise in die Finsternis“ (OmenglU) 10.3. im Filmmuseum Potsdam

■ 1946 begann Jacques Tati in einem kleinen französischen Provinznest mit den Dreharbeiten zu seinem ersten eigenen Kurzfilm „L école des facteurs“ (Die Schule der Briefträger): eine Serie von Sketchen um einen radelnden - und eigentlich eher gemütlichen - Dorfbriefträger, dessen Bemühungen um größere Schnelligkeit und mehr Effizienz an der Tücke und dem Eigenleben der Objekte scheitern. Nur wenig später konnte Tati seinen Kurzfilm in einen abendfüllenden Spielfilm umarbeiten. Als Postbote François zeigt er in „Jour de fête“ (Tatis Schützenfest) noch einmal die gleichen Gags: wie er sich an einen Lastwagen anhängt und dessen Ladefläche zum Postamt umfunktioniert, wie er flotter radelt als eine Gruppe ermatteter Radrennfahrer oder wie sich das Fahrrad auf abschüssiger und kurvenreicher Strecke selbständig macht. Neu war an „Jour de fête“ vor allem die fast lyrische Schilderung des beschaulichen provinziellen Lebens im Kontrast zu François vorübergehender Hektik. Damit hatte Tati das Thema gefunden, das er in späteren Filmen noch weit radikaler ausmalen sollte: die Bekämpfung der kalten Mechanik und Seelenlosigkeit der modernen Welt mit den Waffen der Komik.

„Tatis Schützenfest“ (Jour de Fête) 9.-12.3. im Regenbogenkino

■ Eine Satire auf das deutsche Kaiserreich zeigt das Arsenal in der Reihe Preußen wie es wirklich war. Wolfgang Staudtes Defa-Produktion „Der Untertan“, nach dem 1918 erschienen Roman von Heinrich Mann, analysiert den deutschen Untertanengeist am Beispiel des Fabrikanten Diederich Heßling, der sich als unpolitischer Mensch aus Angst in autoritäre Strukturen flüchtet, wo ihm das Befolgen von Befehlen eine gewisse Sicherheit bietet. Staudtes Portrait des - fast - perfekten Opportunisten ist durchtränkt von bitterbösem Humor und zeigt Werner Peters in seiner besten Rolle.

„Der Untertan“ 11./12.3. im Arsenal

Lars Penning