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Syrische „Titanic“ ist ein „Armleuchter“

In Damaskus erscheint erstmals eine unabhängige Satirezeitschrift. Das staatliche Medienmonopol ist gesprengt

Schon der Name der neuen Zeitschrift Al-Domari verrät die Zuneigung des Herausgebers zum Außergewöhnlichen. Denn dieses syrische Wort beschreibt einen Beruf, den es spätestens seit Erfindung der Edison’schen Glühbirne nicht mehr gibt: den des Anzünders von Straßenlaternen (Öllampen, versteht sich), des Armleuchters. Denn Ali Farzat, Chefredakteur und Herausgeber der neuen Zeitschrift, will nach fast 40 Jahren staatlicher Medien die Syrer erleuchten und an die traditionsreiche Satirepresse aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts anknüpfen. „Wir versuchen, der Straße die Düsterkeit zu nehmen und ihr mehr Fröhlichkeit zu geben, indem wir über Missstände lachen“, schrieb der 49-Jährige in seinem ersten Editorial. Schon die Suche nach geeigneten Mitarbeitern für die neue Publikation gestaltete sich entsprechend schwierig, weil „die Hirne, die in den letzten Jahrzehnten in den staatlichen Zeitungen beschäftigt waren, erstarrt sind“.

Die LeserInnen sehen das offenbar genauso, denn die gerade einmal 20-seitige Zeitschrift wird förmlich aus den Regalen gerissen, trotz der mit 75.000 Exemplaren starken Auflage und des für syrische Verhältnisse hohen Preises von umgerechnet einer Mark. Schließlich ist Al-Domari die erste unabhängige Zeitschrift seit der Machtübernahme durch die Baath-Partei im März 1963, der die Verhängung des bis heute gültigen Kriegsrechts folgte.

Seitdem füllen die staatlichen Zeitungen die Regale in den Kiosken Syriens. Nur kaufen will sie niemand, wie der Informationsminister auf der Parteikonferenz im letzten Sommer lautstark kritisierte.

Ob die vorerst wöchentlich erscheinende Al-Domari dem Ruf der syrischen Satire von gestern und den Erwartungen der Leser von heute langfristig gerecht werden kann, bleibt offen. Die erste Ausgabe setzte auf Zeichnungen von Farzat selbst und auf seine guten Kontakte zu den Machthabern im Lande, die ihm erlauben, im Vorfeld eine Kabinettsumbildung zum Opferfest im März anzukündigen. Ansonsten hält sich die Kritik des „Trägers von Straßenlampen“ in Grenzen, Zielscheibe des milden Spotts sind Prominenz aus Kultur und Gesellschaft, nicht aber aus der Politik. Doch viele Beobachter hoffen auf die Signalwirkung der neuen Zeitschrift, die das staatliche Medienmonopol endgültig gebrochen hat, nachdem bereits kurz zuvor zwei Zeitungen einer kommunistischen und einer nationalistischen Partei zugelassen worden waren.

Im Falle eines dauerhaften Erfolges könnte Al-Domari eine Lawine von Lizenzanträgen zur Herausgabe von unabhängigen Zeitungen auslösen. Und auch im Falle eines Misserfolges bleibt genug Optimismus: Denn was die syrische Titanic heute nicht schafft, könnte vielleicht morgen ein syrischer Spiegel erreichen. AKTHAM SULIMAN

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