: Erneuter Druck aufs Tschechische Fernsehen
Was sie im Streik verloren hat, will die Bürgerliche Partei nun auf dem Papier erreichen: Dem Öffentlich-Rechtlichen soll der Geldhahn abdreht werden
PRAG taz ■ Mit der Ernennung von Jiří Balvin zum neuen Interimsintendanten des Öffentlich-Rechtlichen wurde nur eine Schlacht gewonnen, nicht der Krieg. Der überstürzte Rundumschlag, durch den das Parlament im Februar Senderat und Fernsehleitung erneuerte, scheint eine reine Überlebensmaßnahme der Abgeordneten gewesen zu sein: Der Status des Senders als öffentlich-rechtliches und politisch unabhängiges Medium ist noch immer bedroht.
Dafür sorgt allein ein Satz, den der stellvertretende Vorsitzende der Bürgerlich-Demokratischen Partei (ODS), Ivan Langer, in die Novelle des Rundfunk- und Fernsehgesetzes mit einbauen will: „Das Senden von Reklame und Teleshopping durch den Sendebetreiber darf in der Zeit von 19.00 Uhr bis 22.00 Uhr gesetzlich nicht die Zeit von drei Minuten pro gesendeter Stunde überschreiten.“
Ausgerechnet die lukrativste Sendezeit zwischen Hauptnachrichtenblock und Spätfilm soll so um fünfzig Prozent ihrer Werbeeinnahmen beschnitten werden. Ein „fast tödlicher“ Schlag für das Tschechische Fernsehen, so Intendant Balvin, würde somit von denen erteilt werden, die in der Winterkrise eine herbe Niederlage einstecken mussten.
Ivan Langer, nebst seiner Parteifunktion auch Vorsitzender der parlamentarischen Medienkommission, tut seine Haltung gegenüber dem Öffentlich-Rechtlichen gerne offen kund. In Zukunft will er die Werbung am liebsten vollständig aus dem Programm des Tschechischen Fernsehens streichen.
Als „Rache“ für die Niederlage der ODS im winterlichen Gerangel für und wider politische Einflussnahme im Tschechischen Fernsehen wolle er nun den Sender um Werbeeinnahmen bringen, kommentierte Kulturminister Pavel Dostal den Vorschlag Langers. Immer wieder wird der ODS vorgeworfen, sie wolle den Sender politisch beeinflussen. Während der Krise nach Weihnachten hat sich der Zuschauer/Wähler selbst als Wachhund des Öffentlich-Rechtlichen bewiesen. Der Versuch, die Kontrolle über den Sender zu erlangen, ist vor allem an ihm gescheitert. Nicht nur eingefleischte Verschwörungstheoretiker sehen Langers Vorschlag jetzt als Weiche für die allmähliche Eliminierung des Tschechischen Fernsehens.
Auch Minister Dostal betrachtet ihn als Druckmittel, mit dem die ODS die Privatisierung des Senders durchsetzen will. Wild munkeln kann man höchstens, warum das Tschechische Fernsehen den Bürgerdemokraten ein solcher Dorn im Auge ist. Eine Institution wie das Öffentlich-Rechtliche, das allein durch seine Existenz die einer Gesellschaft als soziale Gemeinschaft beweist und fördert, passt nicht so glatt in das Weltbild derer, die an die absolute Macht des Marktes glauben.
Immer wieder kritisiert die Polit-Elite des Landes, nicht nur die ODS, die Arbeit der Redakteure. Mal sind die Interviewfragen zu frech, mal eine Reportage zu kritisch. Was in vielen anderen Ländern als Wachhund oder zumindest Spiegel der Demokratie verteidigt wird, wird hier genau wegen dieser Rolle angegriffen. Die Verteidigung bleibt wohl wieder dem Volk überlassen. Sollte Langers Vorschlag Gesetz werden, liegt es an ihm, die Befürchtungen von Interimsintendant Balvin aus der Welt zu räumen. Durch einen etwas tieferen Griff in den Geldbeutel. „Das Tschechische Fernsehen – eine öffentliche Angelegenheit“ lautete der Slogan, der den Sender während der Krise verteidigte. Das sollte so bleiben, selbst wenn aus ihr eine teurere Angelegenheit werden sollte.
ULRIKE BRAUN
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