piwik no script img

Kür ohne Schlittschuhe

Die Dortmunder Borussen verlieren das Match der Bayern-Verfolger wider Willen gegen Bayer Leverkusen etwas unglücklich mit 1:3 und ballen heimlich die Fäuste in den Taschen

aus DortmundULRICH HESSE-LICHTENBERGER

In der guten alten Zeit galt die Bundesliga als spannend, weil selbst Abstiegskandidaten die Meisterschaftsfavoriten schlagen konnten. Heute tun sie es wirklich. Und das führt manchmal zu einer gewissen Konfusion: Wer ist eigentlich Kellerkind, wer Spitzenteam? Beruhigend also, dass es Borussia Dortmund gibt. Denn obwohl Trainer Matthias Sammer nach dem 1:3 gegen Bayer Leverkusen wieder einmal davon sprach, dass seine Elf sich „noch weiter stabilisieren“ müsse, bewies doch die Heimniederlage wie sehr sie das schon getan hat. Gegen Mannschaften aus dem oberen Tabellendrittel gab es für den BVB bisher nur einen Sieg; gegen die Teams ab Platz 12 nicht eine einzige Niederlage. Mag also anderswo alles drunter und drüber gehen, in Dortmund herrscht noch Ordnung.

Folgerichtig wirkte Sammer, der ja stets darauf hinweist, dass die Borussia nicht um die Meisterschaft kämpft, nach Ende des Spiels gesammelt und gelassen. Natürlich freue er sich auf die nächsten Partien in Kaiserslautern und gegen Bayern München. „Warum denn nicht?“ Und als Bayers Manager Reiner Calmund den Journalisten im Flüsterton mitteilte, dass der BVB für ihn weiterhin zum Kreis der Titelanwärter zähle, da rief der Dortmunder Trainer mit gespielter Empörung: „Ach, der Calli will doch nur ablenken!“

Die, wie Sammer meinte, „über Jahre gewachsene“ Bayer-Elf spielt also oben mit, die im Aufbau befindliche Borussia gehört zum gehobenen Mittelfeld. Oder, mit den Worten des Dortmunder Managers Michael Meier: „Man muss eben anerkennen, dass wir gegen ein stärkeres Team verloren haben.“ Ist das nun das Fazit – oder bloß die Fassade? Denn es hatte ja auch noch ein Spiel gegeben. In dem war Bayer tatsächlich eine Viertelstunde lang die erheblich bessere Mannschaft: Bernd Schneider fing einen üblen Fehlpass von Sunday Oliseh ab und lupfte ihn vom Mittelkreis aus ins Tor, Ulf Kirsten nutzte einen Blackout von Christian Wörns zum 0:2 und vergab noch zwei Chancen.

Dann aber kam der BVB zum Anschluss durch Wörns, und obwohl der Gast immer mal wieder Phasen hatte, in denen er das Geschehen dominierte, entwickelte sich eine dramatische Partie, die jederzeit in die eine oder andere Richtung hätte kippen können. „Es ging lange Zeit rauf und runter“, sagte Leverkusens Michael Ballack später und vergaß hinzuzufügen, dass es seine gelb-rote Karte war, die diesem offenen Schlagabtausch ein Ende bereitete (75.). In der Schlussphase waren die Gäste nämlich stehend k.o. und versammelten sich im eigenen Strafraum, um staunend zu verfolgen, wie ihr ungeliebter Torwart Adam Matysek von einem Eck ins andere tauchte und sichere Tore verhinderte. Selbst Alfred Nijhuis’ Schuss an den Innenpfosten (87.) prallte nicht etwa vor die Füße des lauernden Fredi Bobic zurück – sondern natürlich in die Arme von Matysek. Dass Thomas Brdaric einen Konter dann noch zum 1:3 abschloss (90.), fiel laut Sammer „nicht mehr ins Gewicht“.

So lehnte ein zufriedener Wolfgang Holzhäuser, Geschäftsführer von Bayer Leverkusen, anschließend an der Wand des Presseraumes und bilanzierte: „Endlich hat uns auch mal der Torwart ein Spiel gewonnen.“ Einige Schritte weiter meinte Calmund gewohnt launig, dass seine Mannschaft Kampfkraft wieder mit Spielstärke paare und dass jeder, der „jetzt die Schlittschuhe zum Kürlaufen herausholt, erschlagen gehört“.

Waren denn nach diesem aufwühlenden Spiel wirklich alle Beteiligten die Ruhe selbst, nicht unzufrieden und guter Laune? Irgendwann hob dann doch Sammer den Kopf und senkte die Stimme. „Wenn Sie wüssten, wie enttäuscht die Mannschaft und ich sind“, begann er. „Das war eine bittere Niederlage.“ Da deutete sich an, dass es beim BVB auch Gründe für weitere verschenkte Punkte gab, die nichts mit einem guten Gegner zu tun hatten, der das Glück und einen starken Torwart auf seiner Seite wusste. Bezeichnend für die Sturmprobleme war die Tatsache, dass Verteidiger Nijhuis kurz vor Ende ins Spiel kam, in die Spitze ging und dort für mehr Unruhe sorgte als Bobic während der langen Zeit davor.

So lächeln die Dortmunder in die Kameras, während sie die Fäuste in den Taschen ballen. Grund zum Ärger ist im Überfluss vorhanden: Am Mittwoch verlor die B-Jugend des BVB 0:1 gegen Leverkusen, am Samstagabend gingen auch noch die Handballdamen gegen Bayer mit 19:31 unter.

Borussia Dortmund: Lehmann - Wörns, Oliseh (85. Nijhuis), Kohler - Evanilson (69. Sörensen), Heinrich, Nerlinger (57. Addo), Dede - Ricken, Bobic, RosickyBayer Leverkusen: Matysek - Zivkovic, Lucio, Ramelow, Kovac - Reeb, Schneider (46. Nowotny), Ballack, Ze Roberto - Kirsten (79. Brdaric), Neuville (77. Vranjes)Zuschauer: 68.600; Tore: 0:1 Schneider (7.), 0:2 Kirsten (10.), 1:2 Wörns (15.), 1:3 Brdaric (90.)Gelb-rote Karte: Ballack wegen wiederholten Foulspiels (75.)

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen