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Lebenspuzzle für Muttis

Neue Segnungen der Genforschung. Vom Biotechtelmechtel zwischen Profit und Nutzen

Nach der Entschlüsselung des menschlichen Genoms gilt es jetzt, seine 3,2 Milliarden Basenpaare zu sortieren und möglichst ertragbringend zu deuten. Denn das wäre ja beknackt, wenn wir aus dem geknackten Genom nicht einen anständigen Nutzen zögen, so wie es unsere Biotechniker längst vormachen, indem sie eifrig um Genpatente feilschen und mit den profitabelsten Anwendungen mehr als nur schwanger gehen.

Mähen am Montag

Mehr als nur schwanger sollen aber gefälligst auch unsere Muttis gehen dürfen, indem sie nämlich in ihre ungeborene Frucht an genetischer Ausstattung einlesen lassen, was Mutter nachher zu gebären wünscht: keinen kurzbeinigen, körperlahmen und zu Kolossalität neigenden Versager wie unsereinen, sondern einen in jeder Beziehung gliedstarken, geistreichen und genialen Prachtburschen, wenn möglich noch mit eingebautem Hochschulabschluss samt späterem Nobelpreis. Genau! Ein Volk von Nobelpreisträgern werden wir sein, und was ist, bitte schön, verkehrt daran, wenn alle aussehen, reden und an ihren Pfeifen rumnuckeln, wie es unser berühmtester Preisträger, Günter Grass, so erfolgreich vormacht?

Oder nehmen wir nur mal jenes Gen, das unsere Nachbarn zwingt, samstags immer ihren Rasen zu mähen. Warum mähen nie alle gemeinsam, sondern garantiert immer einer nach dem anderen, so dass die Rasenmäher rundum lärmen den lieben langen Sonnabend lang? Höchste Zeit also, dass man unser Rasenmähgen so beeinflusst, dass wir unsere Gärten künftig synchron belärmen, und zwar möglichst montags von 15 bis 16 Uhr, wenn ich eh nicht zu Hause bin.

Selbiges gilt für jenes Gen, das vornehmlich älteren Menschen befiehlt, nach dem Verlassen einer Rolltreppe erst mal abrupt zu verharren, um sich zu orientieren und so dafür zu sorgen, dass alle Nachfolgenden auf sie auflaufen und es zu ärgerlichen Staus und Schubsereien kommt.

Schleunigst gefunden und geändert werden kann von mir aus aber auch dieses vermaledeite genetische Bausteinchen, das mich zum Beispiel immerzu die Supermarktkasse ansteuern lässt, an der gerade eine Praktikantin angelernt wird, die zudem ausgerechnet dann, wenn ich endlich dran bin, einen Papierstau in der Bonausgabe hat.

Leider wird’s noch einige Jahre dauern, bis unsere Genkonzerne so weit sind. Derweil haben andere Branchen längst mit der Vermarktung des menschlichen Erbgutes begonnen. Das deutsche Feuilleton beispielsweise pumpt derzeit ein Drittel aller ihm zur Verfügung stehenden Buchstaben ausschließlich in Kolumnen und Kommentare über die Entschlüsselung des Genoms und deren Folgen für die Menschheit. Allein die FAZ verbrauchte mit ihrem spektakulären Teilabdruck des Genkodes vor einiger Zeit auf einen Schlag den wöchentlichen Buchstabenbedarf einer mittleren Kleinstadt. Vollständig gedruckt wird das Buch vom menschlichen Genom übrigens achthundertmal dicker werden als die Bibel. Nicht nur bei den Bücherregale-Herstellern reibt man sich deswegen vorfreudig die Hände.

Mut zum Milliardenspiel

Ein deutscher Spielehersteller will indes noch in diesem Jahr das menschliche Genom als 3,2-Milliarden-teiliges Bilderpuzzle herausbringen. Wer nur einmal den Mut für die bloß 1.000-teiligen Bilderpuzzle „Hamburger Hafen“ oder „Schloss Neuschwanstein“ aufbrachte, kann vielleicht die zeitlichen und räumlichen Dimensionen dieses Puzzles erahnen. Allein der Karton für die Puzzleteile wird eine nur mit einem Sattelschlepper zu bewältigende Größe erreichen. Ebenso das Wohnzimmer und erst recht der wohl auf Jahrzehnte blockierte Wohnzimmertisch, auf dem das menschliche Genom zusammengepuzzelt werden wird. Und das alles nur, damit wir am Ende wissen, wie so ein menschliches Genom eigentlich aussieht. FRITZ TIETZ

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