piwik no script img

Kochen nach Noten

Die Münchner Band Cat Sun Flower gilt als Modell für die Toskana-Fraktion des Pop. Dabei will sie nur Songs schreiben, die zu einem guten Wein am Mittelmeer passen – oder auf den Viktualienmarkt

von THOMAS WINKLER

Es war eine wundervolle Woche. Drinnen saß man vorm Kamin, die offene Tür gab den Blick auf den Apennin frei. Nachmittags holte man Wein beim benachbarten Winzer, und nach dem Abendessen wurde ein wenig Musik gemacht. „Keiner kam rein und meinte: Jetzt müsst ihr aber mal fertig sein“, erzählt Rainer „Gussie“ Germann, Gitarrist, Sänger und Hauptsongschreiber von Cat Sun Flower, „oder: Ich kann keine Single hören.“ So entstand eine schöne, fast zu schöne Platte, und ihr Name ward, wie sollte es anders sein: „Driving South, Staying There“.

Eine seltsame Künstlichkeit, eine undefinierbare Distanz zeichnet die Songs aus, die Heidi Triska mit fester, aber irgendwie körperloser Stimme singt. Songs, für die Cat Sun Flower exakt das Gefühl extrahiert haben, diese mediterrane Stimmung, die sie im Süden vorgefunden haben. Zufrieden, so Germann, sei das Münchner Quintett schon, wenn ihm eine Platte mit „Popmusik für erwachsene Menschen“ gelungen sei, zu der man „auf der Terrasse mit einem schönen Glas Wein sitzen und die Gedanken schweifen lassen kann“.

Nun, die unvermeidlichen Vorwürfe kann er sich selbst denken: „Reichen denn nicht die im Bundestag? Jetzt gibt es noch eine Toskana-Popfraktion?“ Nur: Die Dinge liegen ein wenig anders. Nach zehn Jahren und dreieinhalb Platten, die Cat Sun Flower eher rockenderweise verbracht hatte, überwarf sich die Band mit Plattenfirma und Management. „Wir waren an einem Punkt“, erzählt Germann, „an dem wir uns gesagt haben: Entweder lösen wir uns auf oder machen genau die Platte, die wir machen wollen.“ Bekannte besaßen ein Haus in der Toskana, der Weg dorthin war von München aus noch nie weit, und zwei Autos waren schnell voll gepackt mit Band und nur dem nötigsten Studioequipment. Es gab keine Ziele, keine Vorgaben, keinen Druck, nur ein paar Songs, die aufgenommen werden wollten. „Das war ein Traum“, sagt Gitarrist Gerald „Gerry“ Huber, „und den haben wir uns erfüllt.“

Diesen Traum möglich gemacht hatte aber auch ein gelber VW-Transporter. Oder richtiger: sein Zusammenbruch. Als eines Tages der Bandbus seinen Dienst quittierte, mussten Cat Sun Flower einen Auftritt allein akustisch bestreiten. Und stellten fest, dass das besser ankam als der Grunge-Verschnitt, den man bis dahin spielte, und dass man sich selbst eh längst von den zornigen Wurzeln wegentwickelt hatte.

Schließlich war man mittlerweile Mitte dreißig, hatte andere Seiten des Lebens entdeckt und sich auch irgendwann, so Germann, von „dieser Illusion vom Popstartum“ verabschiedet. „Wir haben alle gute Jobs“, erzählt Huber. Sie sind Journalisten, Redaktionsassistentin oder Web-Designer, und die Musik ist mittlerweile vor allem eine schöne Nebensache. „Andere gehen eben surfen“, so Germann, „und Golf spielen kann ich auch noch, wenn ich älter bin.“

Seine schönsten Arbeitstage, erzählt Germann, sind die, an denen er Rezepte testen darf für eine Frauenzeitschrift. Dann geht es morgens mit dem Kochteam zum Viktualienmarkt, es werden nur die edelsten Zutaten eingekauft, und anschließend wird stundenlang gebrutzelt, geschmort, gesotten, gekostet und geschlemmt. Kochen und Musikmachen seien sehr ähnlich, sagt er, beides verlange Handwerk und Kreativität. Dann regt er sich über die „Mucker“ auf, die unbedingt jeden Tag auf ihrem Instrument üben müssen. Dabei kann es viel wichtiger sein, auf den Markt zu gehen, zu riechen, zu schmecken, zu leben, wenn man Musik machen will.

Auf dem Viktualienmarkt hat Germann auch die Geräuschfetzen für „Bavariacore“ aufgenommen. Das berühmte alte Lied „Du schöne Münchner Stadt“ ist nun zwar kaum noch zu erkennen, aber es sollte eh vor allem bewiesen werden, dass die bayerische Hauptstadt und ihr Lebensgefühl gar nicht so weit entfernt sind vom Mittelmeer. Eine Behauptung, die man fast glauben könnte, wenn man „Driving South, Staying There“ so hört.

Aber da ist noch diese Melancholie, die doch wieder etwas typisch Deutsches hat. Eine gewisse Traurigkeit, die weiß, dass der Urlaub irgendwann zu Ende gehen muss. Aber wenn es selbst in München mal kalt und grau und nass ist, dann bleiben ja noch die Töne und die Gerüche, die Musik und der Kochtopf. Wenn man denn kochen kann oder Musik machen. Oder beides. Die Glücklichen können beides.

Cat Sun Flower: „Driving South, Staying There“ (Planet Fruit/Zomba) live: 31. 3. München, 12. 4. Gauting, 10. 5. Freising

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen