: Angriff der Filmterroristen
■ Neu im Kino: „Cecil B. Demented“ vom großen Irren John Waters
Sollte ein wahrer Künstler bereit sein, für sein Werk zu sterben? Für den Undergroundfilmer Cecil B. Demented (eine deutsche Übertragung wäre etwa „Rainer Werner Durchgeknallt“) ist das gar keine Frage. Und am liebsten nimmt er noch sein gesamtes Filmteam und so viele verhasste Mainstreamkino-Fließbandarbeiter wie möglich mit ins blutige Technicolourfinale.
Er ist ein Cinema-Terrorist, John Waters selber nennt ihn gar einen „Film-Faschisten“, und doch wird man im Laufe von „Cecil B.Demented“ das Gefühl nicht los, der Kultfilmer aus Baltimore habe hier seine Autobiographie inszeniert. Er mag zwar nicht (wie sein Alter Ego Cecil B.) in seinen wilden jungen Jahren einen Hollywoodstar entführt haben, um ihn mit vorgehaltener Pistole dazu zu zwingen, die Hauptrolle in seinem neuen Film zu spielen. Aber in den frühen 70er Jahren schockte der „Baron des schlechten Geschmacks“ Waters das Kinopublikum mit ähnlich abartigen Heldentaten. Seine Diva „Divine“ zwang er etwa in „Pink Flamingos“, Hundekot zu essen, (und das Publikum dazu, dabei zuzusehen).
Damals machte er schon ein recht terroristisches Undergroundkino. Was ihn allerdings von Cecil B. unterscheidet, ist auch der Hauptgrund, warum dieser Film, obwohl er so ziemlich jedes Gesetz des Hollywoodkinos bricht, solch eine gelungene und witzige schwarze Komödie geworden ist: John Waters kann über sich selbst lachen! Cecil B. ist toternst (und dadurch natürlich nur um so komischer), wenn er gegen Hollywood wettert, wenn er und sein Team sich die Namen ihrer Helden eintätovieren lassen (neben Otto Preminger, David Lynch und Pasolini auch unser Fassbinder), und wenn er sich und seine Jünger für die vermeintlich epochale Schlusseinstellung in den Tod schickt.
Alles an diesem Film hat einen doppelten Boden: in dem Baltimorer Kino, in dem die Kino-Guerilla den Hollywoodstar bei der Premiere seines neuesten Films kidnappen, laufen auch jeweils die Premieren von Waters Filmen. Melanie Griffith spielt den Star zugleich so zickig, treuherzig und beschränkt, dass man nie so recht dahinterkommt, ob sie sich hier gekonnt selbst parodiert oder von Waters vorgeführt wird. Der Plot ist absichtsvoll hanebüchen, bietet dafür aber einen vielschichtigen Angriff auf das Mainstreamkino, denn Cecil B. Demented greift Hollywood frontal an. So überfällt und besetzt er einfach das Studio, in dem gerade „Forrest Gump 2: Gump again“ gedreht wird. So sprengt (im wahrsten Sinn des Wortes) er einen Empfang der Baltimore Film Commission, auf der Baltimore als ideale Film- und Fernsehmetropole angepriesen wird. So gehen zornige Hausfrauen mit Schirmen auf die Undergroundfilmer los, die sie beim Weinen über den „Director's Cut“ der Ärzteschnulze „Patch Adams“ stören. Verbündete finden Demented und seine Bande dagegen in den Fans von Action- und Pornofilmen, sowie im Publikum eines Autokinos. Ganz nebenbei konnte Waters so in seinen Lieblingskinos von Baltimore filmen, und genauso nebenbei hat er den Film mit idiotischen Sprüchen über das Kino vollgestopft, die er selber sich wohl immer wieder von Produzenten, Agenten und Kritikern anhören musste. So bekommt in „Cecil B. Demented“ jeder sein Fett weg. Hollywood ist infantil, aber der Film der Undergroundfilmer wäre wohl auch nicht viel besser geworden. Waters sitzt dazwischen und hat gut Lachen. Er hat die gesundheitschädlich radikale Phase seiner Karriere überlebt, ist (wie in den USA sonst wohl nur Woody Allen) der alleinverantwortliche Autor seiner Filme, und die verstoßen zum Glück immer noch virtuos gegen die Regeln des guten Geschmacks. Wilfried Hippen
Mo+Di, 18.30h, Fr+Sa, 22.30h im Kino 46
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