Wiener Linksruck

Die SPÖ könnte Österreichs Hauptstadt allein regieren. Grüne erstmals zweistellig bei Wiener Gemeinderatswahlen. Erneute Schlappe für FPÖ

WIEN taz ■ Die SPÖ unter Bürgermeister Michael Häupl könnte Österreichs Hauptstadt nach den gestrigen Gemeinderatswahlen allein regieren. Bereits nach Auszählung von zwei Drittel der Stimmen kann die Partei mit einem Zugewinn von 7,2 Prozentpunkten gegenüber den Landtagswahlen 1996 rechnen. Die 46,8 Prozent könnten 51 Mandate im 100-sitzigen Stadtparlament bringen. Alle Spekulationen über einen Wechsel des Koalitionspartners von der bürgerlichen ÖVP zu den Grünen werden damit müßig.

Während die ÖVP sich nur gering von 15,3 auf 16,4 Prozent verbessern konnte und sich bereits mit der Rückkehr in die Opposition abgefunden hat, schafften die Grünen mit 12,5 Prozent erstmals ein zweistelliges Ergebnis (1996: 7,8 Prozent). Das sehen sie als Mandat zum Mitregieren. Bei den Jungwählern erreichten sie sogar 24 Prozent und wurden für diese Gruppe zur zweitstärksten Partei.

Der große Verlierer heißt erwartungsgemäß FPÖ, die 7,7 Punkte und sieben Mandate verlor, obwohl der Caudillo Jörg Haider den Wahlkampf zuletzt zur Gänze an sich gerissen hatte. Die FPÖ verlor damit die dritten Landtagswahlen in Folge seit ihrem Regierungsantritt im Februar 2000. Das Liberale Forum, eine wirtschaftsliberale Abspaltung von der FPÖ, scheiterte an der Fünfprozenthürde.

„Eine ungeheure Hetzkampagne“ sei schuld an der Schlappe, erklärte FPÖ-Spitzenkandidatin Helene Partik-Pablé in einer ersten Reaktion. Der Grüne Christoph Chorherr deutete die „deutliche Absage an die Freiheitliche Partei“ eher als Signal, dass „Antisemitismus in Wien keinen Platz hat“. Jörg Haider hatte durch seine Ausritte gegen den Präsidenten der israelitischen Kultusgemeinde, Ariel Muzicant, und gegen Häupls US-amerikanischen Wahlkampfberater, „Herrn Greenberg von der Ostküste“, von den latenten antisemitischen Emotionen zu profitieren versucht. Damit erreichte er die Zuspitzung des Wahlkampfes und das verstärkte Interesse der Auslandspresse, die so zahlreich wie sonst nie bei Lokalwahlen in Wien auf das Ergebnis lauerte.

Obwohl die Kommentatoren keine direkten Auswirkungen des Ergebnisses auf den Bestand der Rechtsregierung ÖVP/FPÖ sahen, gab in einer Befragung jeder Dritte an, auf Grund von bundespolitischen Überlegungen abgestimmt zu haben. Jörg Haider pflegt auf Wahlschlappen heftig zu reagieren und hat bereits wiederholt gedroht, seine Partei aus der Koalition zurückzuziehen. RALF LEONHARD